Ikkyu 1

Sinnsuche eines abtrünnigen Mönchs

Ein betrunkener Mönch stolpert unter dem Gelächter der Passanten aus einem Bordell heraus. Der Anfang von Hisashi Sakaguchis «Ikkyu»(Carlsen, zirka 24 Franken) deutet bereits an, dass man es hier nicht mit einem gewöhnlichen Mönch zu tun bekommt. Das erste Buch der auf vier Bände ausgelegten Biographie des japanischen Zen-Meisters Ikkyū Sōjun (1394-1481) beschäftigt sich mit seinen kargen Kindheits- und Jugendjahren im Zen-Kloster und gipfelt in der Abkehr vom dogmatischen Buddhismus.

 

Die Geschichte um den Geistlichen ist in schwarz-weiss gehalten und fällt durch den akribischen Zeichenstil auf, bei dem jeder Strich bis ins letzte Detail geplant scheint. Der Plot wird grösstenteils in kleinformatigen Panels erzählt. In regelmässigen Abständen wird die Struktur durch fotorealistische, oft ganzseitige Zeichnungen unterbrochen, die komplett auf Text verzichten. Diese stehen offensichtlich im inhaltlichen Zusammenhang mit dem Kernthema – der Zen-Philosophie. Bemerkenswert ist auch, dass die Umstände im alten Japan akkurat und ungeschönt dargestellt werden. Der vor Philosophie strotzende Inhalt erfordert jedoch viel Aufmerksamkeit, womit der Band sich nicht gerade als Nachttischlektüre eignet. Doch mit der richtigen Achtsamkeit offenbart sich dem Leser ein meisterlicher Comic, der beweist, dass Manga nicht nur aus dem klischierten Kindchenschema und oberflächlichen Plots bestehen. (ras)

 

Aus der Feder Sakaguchis, der übrigens 1995 noch während seiner Arbeit an «Ikkyu» 49-jährig verstorben ist, stammt übrigens auch der ebenfalls empfehlenswerte, jedoch leider in deutscher Übersetzung nicht komplett vorliegende und aufgrund des Konkurses von Speed Comics auch nicht mehr auf regulärem Weg erhältliche Sci-Fi-Öko-Thriller «Version». Mehr Informationen »

 

Alle vier Bände von «Ikkyu» im Überblick »

Havanna – Eine kubanische Reise

Kuba, wie es lebt

Reisen ist das eine, über die dabei gemachten Erfahrungen in adäquater Weise zu berichten das andere. Der für die Biografie «Cash – I See a Darkness» mit reichlich Kritikerlorbeeren bedachte deutsche Autor Reinhard Kleist beweist mit «Havanna – Eine kubanische Reise», dass sich das Medium Comic dazu vorzüglich eignet. Zum Gelingen trägt massgebend bei, dass es ihm explizit nicht darum geht, einen klassischen Reisebericht nach journalistischen Massstäben abzuliefern, der in sich geschlossen daherkommt.

 

Vielmehr stellt «Havanna» eine eher lose zusammenhängende Sammlung von Impressionen, Situationen und Seinspartikeln dar, die Kreitz, der sich als gezeichnetes Alter Ego mit Stift und Zeichenblock regelmässig gleich selber mitinszeniert, in sich aufgesogen hat. Dies zeigt sich auch auf der formalen Ebene, die einerseits aus klassischen Panel-Passagen, andererseits aus Skizzen und ganz- bis doppelseitigen Aquarellen besteht. So inkohärent dies auch anmutet: Kreitz gelingt es mit dieser Collage-Technik und der Verwendung verschiedenster Zeichenmaterialien, eine als genuin kubanisch erlebte Grundstimmung zu transportieren, ohne dabei den Anspruch zu erwecken, dem Leser ein allumfassendes und einzig richtiges Havanna-Bild aufdrücken zu wollen. (scd)

Die Herrenwitz Variationen

Minimalistische Humorattacken

Keine Augen, keine Ohren, weder Mund noch sonst etwas, dass einen Gesichtsausdruck verraten könnte – nur eine überproportional grosse Nase. Die Figuren des Wiener Karikaturisten Nicolas Mahler, bekannt durch den Gewinn des Max-und-Moritz-Preises sowie die Publikation im Satiremagazin Titanic, könnten nicht lebloser wirken. Und doch sind die witzigen Standbilder voller Dynamik. Mit minimalistischen Strich und reduzierter, greller Farbgebung porträtiert Mahler in «Die Herrenwitz Variationen» (Edition Moderne, zirka 25 Franken) auf den ersten Blick alltägliche Situationen, die jedoch ziemlich abgründig sind. Die Titel gebende Variation des Herrenwitzes besteht dabei in der sich wiederholenden Szene, bei der ein Ehemann seine Ehefrau mit ihrem Liebhaber erwischt. Daneben spielen bei den anderen Scherzen die Neuinterpretation von Strassenschildern und die Parodie von Geschlechterunterschieden eine wichtige Rolle.

 

Die Gags reichen dabei von der Illustration simpler Wortspiele bis zu bizarren und völlig abstrusen Begebenheiten, die unwillkürlich Schmunzeln provozieren. Einzig der immer wieder auftretende Herrenwitz wirkt auf die Dauer arg repetitiv und vermag nicht gänzlich zu überzeugen. Doch in Anbetracht der Bandbreite der Witze wird dieser empfehlenswerte Band vermutlich trotzdem jedem Leser einige Lacher entlocken. (ras)

 

Webseite von Nicolas Mahler mit zahlreichen Leseproben»

Die Minimenschen 1

Miniaturmenschen kommen gross raus

Das Leben der Dorfbewohner von Rajevols nimmt eine sonderbare Wendung. Als eines Tages ein mysteriöses Meteoritenstück gefunden wird, lässt es jeden, der es anfasst oder nach dem Kontakt einen Mitmenschen berührt, auf ungefähr zehn Zentimeter schrumpfen. Doch statt sich selbst zu bemitleiden, entschliessen sich die Dorfbewohner in einer Zisterne ihr Refugium namens Eslapion zu gründen. Dieses entwickelt sich zu einem wahren Utopia inklusive fortschrittlicher Science-Fiction-Technologie. Somit verbringen die «Minimenschen» (Ehapa, zirka 50 Franken) nun ihre Zeit damit, sich gegen Mäuse und Fische zu verteidigen sowie ihre Entdeckung durch die «Grossen» zu vermeiden.

 

Im ersten Band der Gesamtausgabe der Minimenschen des franko-belgischen Zeichners Pierre Seron werden sechs Hefte aus den 1960er-Jahren zusammengefasst. Die satte Farbgebung und die starre Panelaufteilung erinnern an andere Serien aus dem Dunstkreis von Spirou und Fantasio. Besonders negativ fallen die (gemäss dem Verlag technisch bedingten, da man von den Originalfilmen aus Frankreich habe drucken müssen) Qualitätsunterschiede zwischen den einzelnen Geschichten auf. Einige Zeichnungen sind im Vergleich zu den Sprechblasen so unscharf, dass sie sogar vom Lesefluss ablenken. Die Witze wirken harmlos und dem Zeichenstil der Minimenschen lässt sich doch schon als altmodisch bezeichnen. Die Serie empfiehlt sich am ehesten für jüngere Leser oder Sammler von frankofonen Comic-Klassikern. (ras)

Splitter

Ausserdem neu in den Comic-Regalen

Giger-Anhänger dürfen sich über den dritten und abschliessenden Band «Aliens» freuen, der drei in schwarz-weiss realisierte Storys rund um das Giger-Monster enthält (Cross Cult, zirka 29 Franken).

 

Für Zombiefans ist der siebte Band von Robert Kirkmans düsterer Saga «The Walking Dead» («Vor dem Sturm, Cross Cult, zirka 29 Franken) Pflicht. In den USA ist inzwischen der neunte Sammelband der nach wie vor laufenden Serie erschienen (Schwerpunkt zum Thema).

 

Im Rahmen der bibliophil aufgemachten Hal-Foster-Gesamtausgabe lädt zudem der siebte Band von «Prinz Eisenherz» («Jahrgang 1949/50», Bocola, zirka 35 Franken) zu einer (erneuten) Lektüre des Klassikers ein. (scd)

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