Haarmann

Mit dem kleinen Hackebeilchen...

Hannover 1924: Als bei der Trockenlegung der Leine die sauber vom Fleisch abgetrennten Knochen zahlreicher Toten zum Vorschein kommen, scheinen sich wenigstens für die Bevölkerung die seit Monaten grassierenden schauerlichen Gerüchte zu bestätigen: In der Altstadt geht ein Menschenschlächter um. Je länger je mehr verdichten sich die Hinweise, dass es sich bei der Bestie um den ortbekannten Schwulen Fritz Haarmann handeln könnte. Doch die Polizei nimmt die Hinweise der besorgten Bürger nicht ernst. Schliesslich agiert Haarmann als Spitzel und ist sogar im Besitz eines Polizeiausweises – und was nicht sein darf, kann nicht sein. Als immer mehr junge Burschen spurlos verschwinden und immer offensichtlicher wird, dass Haarmann etwas damit zu tun hat, greifen die Behörden endlich ein. Nun kommt die erschreckende Wahrheit ans Licht: Haarmann hat im sexuellen Rausch mindestens 24 jungen Männern die Kehle durchgebissen. Ob er seine Opfer tatsächlich geschlachtet und deren Fleisch verkauft hat, wie vermutet wird, ist bis heute ungeklärt. Die Todesstrafe über den 46-Jährigen wurde am 15. April 1925 vollstreckt.

 

«Ein deutscher Serienmörder»: Der reisserische (abnehmbare) Aufkleber auf dem Cover von «Haarmann» (Carlsen, zirka 32 Franken) ruft Skepsis hervor. Dass diese komplett unbegründet ist, zeigt jedoch ohne anzulesen bereits ein Blick auf die Autornamen Peer Meter und Isabel Kreitz. Wie beim sehr zu empfehlenden Band «Gift» beschäftigt sich der 54-jährige Bremer Meter wiederum mit dem Schicksal eines Massenmörders (und indirekt auch mit demjenigen seiner Opfer). Im Gegensatz zum vorgängigen Werk steht hier jedoch dieser mit seinen Taten komplett im Mittelpunkt – was in Haarmann vorgeht, bleibt trotzdem verborgen. In perfekter Harmonie zu den extrem detailliert ausgeführten Bleistiftzeichnungen in realistischem Stil von Isabel Kreitz und – wie analog «Gift» anzunehmen ist – sehr eng an die Fakten angelegt zeigt Meter zum einen akribisch genau und unglaublich nüchtern die Vorfälle der letzten Monate bis zu Haarmanns Verhaftung auf. Zugleich gelingt ihm, verstärkt auch durch das Einbringen des Hamburger Dialekts, ein stimmiges Gesellschaftsporträt jener von wirtschaftlicher Not geprägten Nachkriegsjahre. Letztlich – wiederum eine Parallele zu «Gift» – offenbart sich ungeschönt der hinter dem Fall Haarmann stehende Justizskandal. Fazit: Ein durch und durch intelligentes, grafisch formidabel umgesetztes Werk. Höchstwertung und damit ganz klar ein Top-5-Comictitel des Jahres 2010! (scd)

 

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Pluto 1

Träumen Androiden von elektrischen Schafen?

Im Kanton Luzern (!!!) der Zukunft kommt es zu einem grossen Waldbrand, ausgelöst durch eine Art Feuer-Tornado, dessen Ursprung mysteriös bleibt. Dem Inferno fällt der mächtige und bei den Menschen sehr beliebte Roboter Mont Blanc zum Opfer. Rasch kristallisiert sich heraus, dass es sich um Mord handelt. Jemand oder etwas scheint Jagd auf Roboter zu machen und gefährdet auf diese Weise immer mehr die bis anhin friedliche Koexistenz zwischen Mensch und Maschine. Europol-Inspektor «Gesicht», selber ein Roboter, wird auf den Fall angesetzt...

 

Soviel steht fest: Naoki Urasawa ist mit «Pluto» (Carlsen, zirka 21 Franken) ein Manga gelungen, der überdauern wird. Es handelt sich dabei um ein Remake des Storyzweiges «Der grösste Roboter aller Zeiten» des Science-Fiction-Manga-Klassikers «Astro Boy» (1952–1968) des 1989 verstorbenen «Manga-Gottes» Osamu Tezuka. Auch eine Verfilmung aus der Schmiede der Macher des aktuellen Trickfilmhits «Ich – einfach unverbesserlich» ist bereits in Bearbeitung. Eigentlich gleicht die Story in zahlreichen Punkten dem ebenfalls sehr zu empfehlenden Comic «The Surrogates» (und natürlich ist auch «Blade Runner» respektive das visionäre Gedankengut von Philip K. Dick als Blaupause unverkennbar) – auch  in diesem grafisch sehr westlich orientierten Manga werden Fragen bezüglich der Unterscheidung und Ähnlichkeit zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz aufgeworfen. Vor allem der Einschub, in dem es um den Roboter North #2 geht, überzeugt. Hier gelingt es der ehemaligen Kampfmaschine, sich einem mit Vorurteilen Filmmusik-Komponisten anzunähern und dessen kreative Blockade durch (wenn auch hochanalytisches) emphatisches Vorgehen zu lösen. Band 2 von 8 ist auf Ende Jahr angekündigt, weitere Bände sollen im 2-Monat-Rhythmus folgen. Unbedingt anlesen – es lohnt sich! (scd)

Sandman 10: Das Erwachen

Sinnkrise im Reich der Träume

Niemand kann ihm entkommen. Egal wie mächtig oder stark wir sind, jede Nacht treten wir in sein Reich ein und sind ihm ausgeliefert: Dream, Morpheus, dem Herrscher über das Traumreich oder ganz einfach dem Sandmann. 

 

Nun ist der zehnte Band auf Deutsch erschienen, womit die Serie «Sandman» (1989–96) auch in unseren Breitengraden endlich wieder komplett vorliegt. Die Geschichte des Engländers Neil Gaiman, welcher sich auch als Roman-Autor («American Gods») einen Ruf geschaffen hat, wurde insgesamt mit einem Dutzend Eisner-Awards ausgezeichnet. (ras)

 

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Das Leben der Anne Frank

Berührendes Zeitdokument in Comicform

März 1945: Anne Frank stirbt im KZ Bergen-Belsen an Typhus – nur wenige Wochen bevor britische Truppen das Lager erreichen. Zurück bleibt das Tagebuch der erst 15-jährigen Jüdin, verfasst in einem Hinterhaus in Amsterdam, das als Versteck vor den Nationalsozialisten diente. Dank ihrem Vater, Otto Frank, der als einziger der Familie den Holocaust überlebte und der 1980 in Basel starb, ist dieses 1947 erstmals an die Öffentlichkeit gelangt.

 

Die traurige Geschichte der Anne Frank geht schon seit Jahrzehnten um die Welt. Ihre Tagebuchaufzeichnungen wurden von Millionen gelesen, in unzählige Sprachen übersetzt und erfolgreich von Theater und Kino adaptiert. Und sie berührt noch immer, wie sich an «Das Leben der Anne Frank – Eine grafische Biografie» (Carlsen, zirka 27 Franken) von Sid Jacobson und Ernie Colon eindrücklich zeigt. Dazu trägt sicherlich auch die nüchterne Tonalität sowie das bewusst unspektakuläre Artwork des vom Anne Frank Haus autorisierten Comics entscheidend bei. Wie beim vom gleichen Autorenduo geschaffenen Werk «The 9/11 Report» gelingt es auch hier, die politischen Umstände jener Zeit leicht verständlich und doch nicht zu verkürzt einzuflechten. Zurück bleibt die Erinnerung an eine hoffnungsvolle Jungschriftstellerin, deren Leben – wie sechs Millionen anderen Juden – durch ins Krankhafte gesteigerten Rassenhass infolge der Verblendung einer ganzen Nation ausgelöscht wurde. Und die Hoffnung, dass es zu einer Wiederholung in dieser Dimension nie kommen möge (gleichzeitig die bittere Erkenntnis als unendlich schwere Last mit sich tragend, dass Genozide an sich – Burundi, Kambodscha, Ruanda – nicht aufgehört haben und das Projekt Mensch im Grunde als gescheitert betrachtet werden muss). (scd)

 

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Der König der Fliegen 1: Hallorave

Psychedelischer Vorstadt-Trip

Eriks Leben besteht aus Pillen und Bumsen. Im Grossen und Ganzen. Wenn der Teenager nicht gerade für seine gerade zum zweiten Mal geschiedene Mutter Antidepressiva einkaufen gehen muss, sitzt er mit seinem selber gebastelten riesigen Insektenkopf träge auf einem Sofasessel in der Garage und bezeichnet sich nach dem gleichnamigen Buch von William Golding als «König der Fliegen», nimmt abartige Sexspiele als Voyeur auf Video auf oder kommt ins Schwitzen, als er einer gut erhaltenen Nachbarin im Alter seiner Mutter bei Gartenarbeiten hilft und mit dem Anblick ihrer von abgemähten Grashalmen übersäten nackten Schenkel konfrontiert wird.

 

«Der König der Fliegen 1: Hallorave» (Avant, zirka 30 Franken) von Mezzo (Pascal Mesemberg) und (Michel) Pirus gleicht einem schrägen Trip, bei dem sich nicht so ohne weiteres entscheiden lässt, ob man lachen, schreien, weinen oder schlicht stumm bleiben soll. Mal abgesehen von den ganz alltäglichen Schweinereien passiert in diesen miteinander zusammenhängenden Nachbarschafts-Episoden auf LSD der beiden Franzosen ja eigentlich gar nicht so sonderlich viel. Dass einem die Lektüre trotzdem deliriös schwindeln macht und regelrecht zu Kopf steigt, liegt zum einen am exorbitanten Popart-Artwork, das extrem an Charles Burns' nicht minder verstörendes Werk «Black Hole» erinnert – mit einer expressionistischen Farbgebung als Zugabe. Zum anderen sind es die kruden Gedankengänge des Pennälers aus dem Off respektive die kommentierende Stimme des Erzählers (der Comic kommt fast gänzlich ohne Sprechblasentext aus), die eine krass schräge Stimmung etablieren. Zusammen mit den regelmässig auftauchenden expliziten Szenen ergibt sich daraus ein hochexplosiver Cocktail, den man einfach antesten muss. (scd)

 

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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 1: Combray

Unendliche Retrospektive

Ausgelöst durch den Duft eines in Schwarztee getunkten Madeleines wird ein erwachsener Ich-Erzähler im Geiste in die Tage seiner glücklichen Kindheit auf dem Lande Ende des 19. Jahrhunderts zurückversetzt. Vor dem inneren Auge ist er wieder in Combray, wo er als Spross gutsituierter Eltern aufwuchs.

 

Mit «Combray» (Knesebeck, zirka 34 Franken) erscheint der erste Teil der Comicadaption von Marcel Prousts Klassiker «Auf der Suche nach der verlorenen Zeit» (im Original erstmals 1913 erschienen) von Stéphane Heuet. Ohne die insgesamt siebenbändige Vorlage zu kennen, lässt sich über die Nacherzählung in Text und Bild, deren Gestaltung mehrere Jahre in Anspruch nahm, Folgendes sagen: Die konventionell und altmodisch wirkende Grafik dürfte im ersten Moment nicht wenige versierte Comicleser abschrecken. Hat man sich aber erst einmal mit dem unscheinbaren Artwork angefreundet, werden dessen Qualitäten sichtbar. Diese liegen in der perfekten Harmonie zum bedächtigen Erzählstil und -tempo von Prousts Text. Auch wenn – und das ist meine ganz persönliche Einschätzung – gewisse Passagen rein inhaltlich nicht jedermann gleich interessieren dürften und selbst stark verkürzt gar langweilen könnten (ich spreche damit auf die sehr detaillierte Beschreibung der gutbürgerlichen Gepflogenheiten von anno dazumals an), werden andere Stellen dieser Rückkehr zu den Sinnen mit Bestimmtheit für lange Zeit in wunderbarer Erinnerung bleiben und Anlass zu eigenen Gedankenreisen zu den Anfängen geben: Die Sehnsucht am Abend im Bett nach der Mutter, Naturbeobachtungen, die Imposanz eines Kirchenschiffs, die Erahnung der eigenen Sexualität. Mit dieser auf die eigenen Lebenszusammenhänge fokussierten Lesart wird «Combray» garantiert auch Nicht-Romanisten erfreuen. (scd)

 

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Planet Kratochvil (Der komplette Kratchvil)

Launiges Grübeln im Nichts

Sechs Panels auf jeder Seite, jeweils zwei in drei Reihen: den Bürohengst Kratochvil hat es in eine Einöde verschlagen, in dem es kaum mehr als Bäume, Wetter und Würmer gibt. Er suchte seine Fabrik und nun weiss er nicht, wie er dorthin gekommen ist.

 

Auf den kegeligen Baumstämmen prangt ein Laubbommel. Als einmal einer im Moment herabstürzt, da Kratochvil ihn betrachtet, weiss er: «Der Herbst ist gekommen.» Solch visuelle Situationskomik wechselt mit mehr oder weniger existentialistischem Klamauk ab. Kratochvil sucht in dieser Fremde den Trost, den seine gewohnte Umgebung ihm gespendet hat. So kommt es, dass er überall Parallelen zu seinem früheren Leben entdeckt: Die Ödnis wird durch Gewohnheit weniger langweilig. Die Abwechslungsarmut der Landschaft auf den Panels gibt dem Witz einen grösseren Funktionsraum: Jede winzige Veränderung inmitten der Kringel, Kreise und Striche hat direkt das Potenzial zu einer Pointe.

 

«Kratochvil» erschien von November 2001 bis Januar 2002 als Daily Strip in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Die Neuausgabe (Edition Moderne, zirka 15 Franken) enthält auch den Folgestrip «Planète Kratochvil», den «L’Association» 2003 erstmals veröffentlichte. In «Planet Kratochvil» geht Mahler tatsächlich sogar noch einen Schritt weiter, indem er aus den Bildern jegliche Bewegung raushielt. Kratochvil findet sich diesmal auf einem fernen Planeten wieder. Kleine Krater ersetzen die Bäume, sonst gibt es noch Ausserirdische. Aber obwohl die eine sexuelle Dimension ins Spiel bringen, hat auch das All Kratochvil nicht viel zu bieten. Eigentlich gibt es auch über Nicolas Mahler nicht viel zu sagen. Er ist schlicht der genialste Humorist in der deutschsprachigen Comiclandschaft. Deswegen bereits ist jede Neuausgabe wichtig – umso mehr, wenn sie wie diese zusätzliches Material bereitstellt. (wak)

 

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Tell 1: Die Legende kehrt zurück

Nationalheld gibt Gessler nochmals Saures

«Tell» ist nun als Album erhältlich. Gleichzeitig kann dieser nach wie vor online in digitaler Form gratis abgerufen werden. «Sämtliche ‹Tell›-Seiten werden auf meiner Internetsite online bleiben», bestätigt Boller auf Anfrage. «Der Grund ist, dass das Leseerlebnis eines Buches ein ganz anderes ist und ich nicht glaube, dass wir Leser verlieren werden.» Das Konzept, seine Comics im Wochenturnus Seite für Seite sukzessive gratis online zu stellen, habe sich «definitiv ausgezahlt und scheint der richtige Weg zu sein», so der im st. gallischen Mogelsberg wohnhafte 42-jährige Künstler.

 

Begonnen mit der Internet-Publikation von «Tell» hat Boller, der während mehrerer Jahre in den USA als Zeichner tätig war, vor rund einem Jahr. Nun liegen die ersten 56 Seiten seiner Version des Schweizer Nationalhelden im Eigenverlag gedruckt vor (Zampano, 20 Franken), eine französische Übersetzung ist in den kommenden Wochen angekündigt. Die Serie, die eine düsterne Reinkarnation des treffsicheren Altdorfer Armbrustschützen präsentiert und im Superhelden-Genre verortet werden kann, ist auf drei Bände angelegt.

 

Ob «Tell» an die vom Künstler selber genannten Vorbilder «Watchmen» oder «Die Rückkehr des Dunklen Ritters» heranreicht, sei dahingestellt respektive darf in Frage gestellt werden. Vielleicht ist diese Messlatte auch etwas gar hoch angesetzt. Auf jeden Fall ist klar, dass David Boller mit seinem halbrealistischen, anatomisch korrekten Stil und seinem Geschick für rasantes, massentaugliches Erzählen auf einem guten Niveau singulär in der Schweizer Comic-Landschaft dasteht. Gerade bei Actionszenen – etwa als Tell dem Superschurken Gessler gegenübersteht – kommt sein Talent am besten zum Vorschein. Übers Ganze gesehen ist Bollers Versuch, den alten Mythos um den sagenhaften Freiheitskämpfer in modernem Gewand wiederauferstehen und dabei auch kulturkritische Untertöne einfliessen zu lassen, jedenfalls auf innovative Art und Weise gelungen.

 

Im Juni 2011 soll der zweite Band der online laufend weitergetriebenen Geschichte (Update jeweils freitags) erscheinen. Getreu dem Motto, dass ein ordentlicher Superheld einen Sidekick braucht, wird Tell dann ein treuer Gehilfe zur Seite gestellt, um im zu Grunde gerichteten Zürich der nicht allzufernen Zukunft für Ruhe und Ordnung zu sorgen: Walter! Ob man sich dementsprechend auf einen Apfelschuss ganz im Sinne der Legende freuen darf, wird sich in den nächsten Wochen und Monaten erweisen... (scd)

 

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Interview mit David Boller zum Internet-Start der Serie »

Am falschen Ort

Die Suche nach der aufgehobenen Zeit

Wenn man manche Orte betritt, sucht man ein ganz bestimmtes Erlebnis, das nur dort auf einen wartet. Das führt so viele Woche für Woche in einen Club. Wie bei Liebesgeschichten braucht es da allerdings eine Chemie zwischen Ort und Besucher, ohne die sie sofort weiterziehen oder gleich daheim bleiben sollten.

 

Der flämische Zeichner Brecht Evens will solch eine einzigartige Atmosphäre ebenso erwecken wie das Gefühl, dort nicht hinzugehören. Als Leser darf man keine grösseren Erwartungen an die Erzählung oder die Figuren stellen: Der langweilige Gert versucht durch seinen allseits verehrten Freund Robbie, am Partyleben teilzunehmen, was ja danebengehen muss, weil er eben schlicht ein Langeweiler ist. Robbie hingegen verzaubert all seine Freunde und Frauen. Die Dialoge spielen hier keine Rolle: Sie gehen im glücklichsten Fall als Partytalk unter. Sonst funktioniert das Gespräch wie bei Gert einfach nicht.

 

«Am falschen Ort» (Reprodukt, zirka 38 Franken) entfaltet seine Stärken erst, wenn man den Band wie ein Bilderbuch betrachtet. Mit den knallbunten Aquarellzeichnungen bringt Evens Orte und Leute zum Vibrieren. Für eine ordentliche Party gehört es sich, dass das Zeitempfinden verlorengeht. Darum verzichtet er so gerne auf die Abfolge einzelner Panels und bringt stattdessen alle Etappen der fortlaufenden Bewegung auf einem Seitenpanel unter. Spektakulär suggeriert er in einer Sexszene, wie intensives Erleben die Zeit einschmilzt, indem er in bester Sfar-Manier Konturen und Farbflächen voneinander löst: Verschiedene Stellungen gehen ineinander über, während Evens ihren jeweils zeitversetzten Bewegungsabläufen unterschiedliche Ausdrucksformen verleiht, bis schließlich die Körper immer abstraktere Formen annehmen.

 

Was aber bleibt, ist ein schales Gefühl. Brecht Evens hätte bei seinen expressiven Tableaus bleiben sollen. Sobald die Panelabfolge linearer und diegetischer wird, durchbricht sie deren tragenden Rhythmus wie ein lästiges Partygespräch. (wak)

 

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The Umbrella Academy 2: Dallas

Familienzwist unter Superhelden

Gerard Way, der Leadsänger und Texter der Indie-Band My Chemical Romance, ließ sich bei «The Umbrella Academy» von einem Grundgedanken leiten: Wie funktioniert ein Familienverband unter lauter «Geschwistern», die durch ihre individuelle Begabung ganz auf sich selbst konzentriert sind und zuerst mit sich selbst klarkommen müssen?

 

Der erste Band «Weltuntergangs-Suite» (siehe auch frühere Besprechung) konzentriert sich auf die Aussenseiter-Thematik. Ein genialer Wissenschaftler und Unternehmer, unter dessen Erscheinung sich ein Ausserirdischer verbirgt, nimmt sieben unter rätselhaften Umständen Neugeborene unter seine Fittiche. Eine davon entwickelt keine Superkräfte, weshalb er sie zum Violinunterricht verdonnert, während die anderen Bösewichte aufmischen. Die Lebenswege der Superhelden verlieren sich, bis der Tod ihres Ziehvaters sie eines Tages wieder zusammenführt. Unter ihnen herrscht mehr Misstrauen als Wiedersehensfreude, dennoch ist es wieder einmal die Violinistin Vanya, die zurückgesetzt wird. Das führt dazu, dass sie sich zu einem weltzerstörerischen Instrument verwandelt.

 

Im zweiten, nun vorliegenden Band «Dallas» (Cross Cult, zirka 32 Franken) gelingt es Gerard Way und seinem Zeichner Gabriel Bá, zwischen einer Superhelden-Parodie und einer düstere Atmosphäre zu changieren, in der sogar Neil Gaimans «Sandman»-Geschichten anklingen. Zuvor stiefmütterlich behandelte Figuren gewinnen an Tiefe, während die Querverbindungen zur «Weltuntergangs-Suite» dafür sorgen, dass sich ein sehr eigenes Erzähluniversum auftut. Stilistisch beherrscht Bá es, verschiedene Genre-Elemente zu einem homogenen Ganzen zu verschmelzen. Selbst für jemanden, dem Superhelden oder Zeitreisen sonst kein müdes Lächeln entlocken, lohnt sich die Lektüre der «Umbrella Academy»: Die Serie ist eine in jeder Hinsicht beeindruckende Mixtur.

 

Glücklicherweise bringt der Cross Cult-Verlag nicht so wie bei «The Walking Dead» die jeweiligen Sammelbände mit den teils sensationellen Covern der einzelnen Hefte heraus. Im Anhang finden sich jeweils Vorstudien und Kurzgeschichten, die die Lesefreude abrunden. (wak)

 

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Der Zombie Survival Guide

Die Untoten wandeln unter uns!

Mit «Der Zombie Survial Guide» (Panini, zirka 24 Franken) liegt der Max Brooks, dem Sohn des Komikers Mel Brooks («Spaceballs») nun auch in Comicform vor. Mit Humor oder Ironie hat der Band mit dem Untertitel «Dokumentierte Angriffe» im Gegensatz zur Buchvorlage, die detailverliebt beschreibt, wie die Menschheit im Falle einer Zombie-Apokalypse zu reagieren hat, jedoch nicht allzu viel zu tun. Vielmehr werden in chronologischer Reihenfolge auf 144 Seiten zwölf quasi-authentische Zombie-Attacken dargebracht – von der Steinzeit über das Alte Japan und Afrika zur Zeit des Sklavenhandels bis hin zur US-Westküste in der Gegenwart.

 

Leider geben Brooks «Beweise», dass Untote tatsächlich unter uns wandeln, im Vergleich zu ähnlichen Publikationen, in denen es um Aliens oder krude Verschwörungstheorien geht, nicht allzu viel her und es ist auch nicht unbedingt so, dass die Episoden extrem raffiniert gestrickt wären. Trotzdem lohnt sich die Anschaffung für alle Zombie-Fans auf jeden Fall, denn beim «Survival Guide» handelt es sich in erster Linie um ein (morbides) Fest für die Augen: Zerplatzende Köpfe, von den Leibern in Fetzen hängendes Fleisch, abgetrennte Gliedmassen, herausstehende Knochen, haufenweise monströse Fratzen – Zeichner Ibraim Roberson hat ganze Arbeit geleistet und die Metzeleien bis ins kleinste Detail genau optisch in Szene gesetzt. Wohltuend aus der Masse herausstechend dabei ist die Umsetzung in Grautönen, in der Plastizität der Körper an Altmeister Richard Corben («Den») erinnernd. (scd)

 

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Zombie-Special auf Comic-Check in Vorbereitung!

Valerian & Veronique 21: Der Zeitöffner

Intergalaktisches Abenteuer komplett

Nach gut 43 Jahren findet «Valerian & Veronique» von Pierre Christin und Jean-Claude Mézières mit dem 21. Band «Der Zeitöffner» (Carlsen, zirka 19 Franken) ein Ende. Ob dieses – die Coverillu deutet bereits an, was geschehen wird – alle Leser der französischen Science-Fiction-Serie gleichermassen zufrieden stellen wird, sei dahingestellt. Eines ist jedoch klar: Die farbenfrohe, schon länger nicht mehr vollständig auf Deutsch greifbare Saga um die beiden Raum-Zeit-Agenten war bahnbrechend für das Medium Comic und erwies sich als Blaupause für zahlreiche andere Genre-Vertreter – vor allem im Filmbereich.

 

Gerade die ersten Bände der Serie, die jetzt in sieben Sammelbänden neu aufgelegt wird, sprengten den konventionellen Rahmen: Mit Veronique trat eine starke und intelligente Frau in Erscheinung, die ihren autoritäts- und technikgläubigen Partner regelmässig überflügelte. Zudem mochten die Abenteuer zwar in anderen Raum- und Zeitdimensionen spielen – die aufgeworfenen sozialen und ökologischen Fragen hatten jedoch stets einen zutiefst realen Bezug zum Hier und Jetzt. Aus meiner Sicht als einziger möglicher Bremspunkt, um sich der Serie zu verweigern, könnte sich die selbst im Abschlussband – ähnlich «Yoko Tsuno» und anderen frankobelgischen Titeln – scheinbar unentschieden zwischen realistischer Darstellung und Stilisiertheit hin und her pendelnde Grafik erweisen. (scd)

 

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Marvels: Im Fokus der Kamera

Die Guten und die Bösen vor der Linse

Was wäre, wenn man als normaler Bürger im Marvel-Universum leben würde? Wenn man die Dramatik und die Spannung der Heldentaten von Captain America, dem Sub-Mariner oder Spider-Man mit eigenen Augen miterleben könnte? Diese Frage aus der Perspektive des Fotoreporters Phil Sheldon stellten sich vor 16 Jahren Kurt Busiek und Alex Ross in «Marvels» (Marvel Exklusiv 34) mit grossem Erfolg. Nun liegt mit «Marvels: Im Fokus der Kamera» (Marvel Exklusiv 88, Panini, zirka 24 respektive für den Band als Hardcover 36 Franken) die Fortsetzung des Klassikers vor.

 

Bereits das Titelbild macht deutlich, dass dafür leider nicht mehr Alex Ross verpflichtet werden konnte, der mit seinem gemäldeartigen Stil viel zum Gelingen von «Marvels» beigetragen hatte. Trotzdem kann postuliert werden, dass mit Jay Anacleto ein zwar nicht ebenbürtiger, aber doch würdiger Nachfolger gefunden werden konnte. Wiederum weiss die intelligente Schreibe von Busiek zu überzeugen. Indem der «Astro City»-Autor Sheldons Vergangenheit und Zukunft miteinbezieht – mehr soll an dieser Stelle nicht verraten sein –, schafft er es eindrücklich und kompromisslos, einen neuen Drive in die Geschichte zu bringen und diese definitiv zu beenden. Kaufempfehlung! (scd)

 

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Storm 14 & 15

Eskapismus? Ja gerne!

Der in einer anderen Dimension gestrandete Astronaut Storm ist noch immer auf der Flucht vor dem unterbitterlichen Pandarve-Herrscher Marduk. Als dessen Wachhunde ihn und seine Gefährten Rothaar und Nomad orten, überstürzen sich die Ereignisse. Schliesslich gelingt dem tapferen Trio die Flucht, und es macht sich in einem gekaperten Gleiter auf zur anderen Seite des Planeten. Hier warten ein feuriger Empfang und neue Herausforderungen auf die Abenteurer wider Willen. Die Eskapismusfunktion: Dieser Möglichkeit der Mediennutzung haftet nach wie vor ein gewisser Ruch, eine Art Devianz an. Doch was ist daran so verkehrt, frage ich mich, als ich einmal mehr ins «Storm»-Universum abtauche und mir die beiden neuesten Bände 14 «Die Hunde von Marduk» und 15 «Der lebende Planet» (Original 1985/86, Splitter, je zirka 24 Franken) vornehme.

 

Es ist immer wieder aufs Neue erstaunlich zu sehen, welch an Einfällen überbordenden und in sich selber perfekt geschlossenen fantastischen Kosmos Martin Lodewijk und Don Lawrence (oder sollte man hier den Zeichner an erster Stelle erwähnen?) geschaffen haben. Beide Bände sind durchs Band von hoher Qualität: Während «Die Hunde von Marduk» atemberaubende Action durchs Band bietet und mit einer interessanten Wendung am Schluss aufwartet, ist «Der lebende Planet» einerseits mit seiner ganzen Lava-Szenerie visuell exorbitant geraten und bietet zudem inhaltlich mit der «Alice im Wunderland»-Schlusspassage einen klaren Progress, der umso neugieriger auf Band 16 «Vandal der Zerstörer» macht. (scd)

 

Leseprobe Band 14 »

Leseprobe Band 15 »

Animationsfilm mit dem Plot des Anfangs von Band 15 »

Bob Dylan Revisited – 13 Songs in Bildern

Der Folk-Altmeister in Bildern

Bob Dylans Lyrics sind hohe Literatur – um das zu beweisen, braucht es «Bob Dylan Revisited – 13 Songs in Bildern» (Carlsen, zirka 27 Franken) nicht. Doch das Projekt (namhafte Comickünstler illustrieren Songtexte) führt eindrücklich vor Augen, wie viel kreative Energie «Like a Rolling Stone», «Blowin’ in the Wind» & Co. nach wie vor auszulösen vermögen. Mein persönlicher Favorit in der Umsetzung: «Hurricane» (Song von 1975), in dem es um den afroamerikanischen Boxer Rubin Carter geht, dem aus rassistischen Motiven ein dreifacher Mord angehängt wird – meisterhaft in Brauntönen in realistischem Stil in Szene gesetzt von Gradimir Smadja.

 

Eine kurze Notiz zu den jeweiligen Künstlern hätte diesem Tribut-Album sicherlich nicht geschadet und vielleicht manchmal auch etwas mehr Mut, Dylans Texte auch einmal visuell gegen den Strich zu interpretieren. Die etwas andere «Tonspur» zum Oeuvre des Meisters darf generell jedoch in ihrer inhaltlichen und formalen Vielfalt als sehr gelungen und bereichernd bezeichnet werden. (scd)

 

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Die lange Nacht von Saint Germain de Prés

Pseudo-Tardi – aber trotzdem gut

Paris, Mitte der 50er-Jahre: Gestohlener Schmuck im Wert von 150 Millionen Francs – und ein Toter im Hotel: Ein Fall für den schnoddrigen Detektiv Nestor Burma. Ein neuer Tardi!, schoss es mir durch den Kopf, als ich «Die lange Nacht von Saint Germain de Prés» (Schreiber & Leser, zirka 30 Franken) in die Finger kriegte. Dann die grosse Enttäuschung: Der Comic stammt von einem mir bis dato unbekannten Autor namens Moynot – «nach einem Roman von Léo Malet und mit Figuren von Tardi», wie es an mehreren Stellen heisst.

 

Das irritiert zunächst, fasziniert aber auch: Erstaunlich, wie präzis Tardis Zeichenstil kopiert worden ist. Und im Ernst: Wer dem Band eine Chance gibt, bei dem löst die anfängliche Skepsis ziemlich rasch in Wohlgefallen auf – garantiert! Ein kniffliger Fall in dekadenten Kreisen, erzählerisch durchdacht komponiert und mit einem informativen Anhang versehen – was will man letztlich mehr? In Kürze erscheint übrigens vom selben Autor bei Schreiber & Leser die weitere Malet-Adaption «Bilder bluten nicht». (scd)

 

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Batmans Sohn

Der Mitternachtsdetektiv wird Vater

«Batmans Sohn» (Panini Comics, zirka 30 Franken) erzählt einerseits die Herkunft von Damian Wayne, Sohn von Bruce Wayne und Talia Al Ghul. Andererseits nimmt in diesem achtteiligen Sammelband von Grant Morrison (Story) und Andy Kubert (Artwork) eine Geschichte ihren Anfang, die in «Batmans R.I.P.» ihr Ende findet.

 

Als ob es die menschliche Fledermaus nicht schon genug schwer hat, sich gegen ein Armee von Man-Bats zu behaupten und ein mysteriöses Trio von Batmanimitatoren zu entlarven. Völlig unerwartet macht ihn Talia mit einem Jungen bekannt, der Batmans Sohn sein soll. Er ist frech, überheblich, hinterlistig und mordet ohne mit der Wimper zu zucken. Grant Morrison setzt alles daran, um Batmans Sprössling bei seinem Debüt unbeliebt zu machen. Spannungen im Hause Wayne sind also vorprogrammiert.

 

Aufmerksame Leser werden die eine oder andere gefährliche Saat entdecken, die in Morrisons «Batman R.I.P.» Früchte tragen wird – bzw. schon getragen hat. Denn «Batman R.I.P.» erschien ziemlich genau vor einem Jahr und es fragt sich, ob man die Sammelbände nicht besser chronologisch veröffentlicht hätte. (sam)

 

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Gon 1

Prähistorische Fressmaschine

«Gon» von Masashi Tanaka ist Kult. Warum eigentlich?, fragt man sich möglicherweise, wenn man den ersten Band der Re-Issue (Carlsen, zirka 10 Franken, Original 1992) der insgesamt siebenteiligen Serie um den Titel gebenden kleinen Tyrannosaurus zur Hand nimmt. «Gon frisst und schläft» lautet das erste Kapitel – und damit ist auch bereits der gesamte Plot umschrieben. In vier Episoden legt sich die mit übergrossen, manga-typischen Augen versehene, ansonsten mimisch extrem starre Raubsaurier-Miniatur mit allen markanten Fleischfressern der afrikanischen Steppen und der nordamerikanischen Wälder an – trotz seiner zwergenhaften Gestalt wegen seiner Beharrlichkeit und Aggressivität stets siegreich aus den ungleichen Duellen mit Bär & Co. hervorgehend.

 

Von der Grafik und der Komposition her sind die feinstrichigen, extrem detailliert ausgeführten Schwarzweiss-Zeichnungen nur zu loben. Das täuscht aber nicht darüber hinweg, dass von einem Plot im eigentlichen Sinne gar nicht die Rede sein kann. Befremden rufen zudem die unter pädagogischem Vorzeichen eingestreuten Steckbriefe der von Gon attackierten Tiere hervor. Auch die Praxis, die einsilbigen Sprechblasentexte ganz zuhinterst als Nur-Text-Beiträge zu versammeln, ist extrem gewöhnungsbedürftig. Prädikat: Wers mag. Und das dürften wohl wahrlich nicht wenige sein in Anbetracht des Erfolgs der Serie. Der zweite «Gon»-Band ist übrigens auf Ende November anberaumt. (scd)

Flash: Rebirth

Zwischen Flashback und Black Flash

Barry Allen alias Flash kehrt in einer sechsteiligen Miniserie (Panini, zirka 24 Franken) aus der Speed Force zurück und liefert sich in Lichtgeschwindigkeit eine Schlacht mit dem verrückten Bewegungswissenschaftler Eobard Thawne, genannt Reverse Flash.

 

Für Neueinsteiger liest sich die Story von Geoff Johns (Chief Creative Officer von DC, «Blackest night») aufgrund der unzähligen Figuren aus der Flashfamilie und anderen Helden des DC Universums (z. B. Superman oder Green Lantern) trotz verschiedener Flashbacks eher schleppend. Dafür schleudert Ethan Van Scivers («New X-Men») die Leserschaft mit seinem Artwork in atemberaubendem Tempo durch die Miniserie. Vor allem die von Rot- und Gelbtönen dominierten Kämpfe in der Speed Force sind unglaublich schwunghaft gestaltet und rücken den Merkur der Superhelden in bestes Licht. (sam)

 

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X-Men: Frauen auf der Flucht

Sexy – und schwer verkäuflich

Rachel Summers wurde entführt! Sofort machen sich die X-Women Rogue, Storm, Psylocke und Kitty Pryde auf die Suche nach ihrer Kollegin. Diese führt sie zum Eiland Madripoor. Hier will eine mysteriöse Baronesse und Anführerin eines skrupellosen Waffenhändler-Clans mithilfe von Summers’ Kräften einen Krieg zwischen China und Indien anzetteln. Doch das profitgierige Kartell hat die Rechnung ohne die vier so attraktiven wie kampfgewandten Ladys gemacht.

 

«Ein ganz schwieriger Titel zum Verkauf», so der Kommentar des Comic-Händlers meines Vertrauens zum vom Verlag gross angekündigten «X-Men: Frauen auf der Flucht» (Panini, zirka 22 Franken). «Die Manara-Fans ignorieren den Band, und auch die X-Men-Gemeinde interessiert sich, wohl auch wegen des Überformats, nicht dafür.» Genau dieselbe Gespaltenheit machte sich auch bei mir bei der Lektüre bemerkbar: Gewiss ist der Erotikcomic-Papst Milo Manara der Beste, der für den Job gefunden werden konnte. Was anatomisches Zeichnen reizvoller Frauenfiguren anbelangt, macht dem inzwischen 65-jährigen Italiener so rasch keiner etwas vor. Leider kommt der Plot von Chris Claremont über den Durchschnitt nicht hinaus – und so bleibt «Frauen auf der Flucht» ein Kuriosum im Superheldencomics-Regal. (scd)

 

Schwerpunkt zu Manara »

Tim & Struppi Farbfaksimile 14

Festessen für «Tim»-Archäologen

Mit «Im Reich des schwarzen Goldes» (Carlsen, zirka 28 Franken) liegt der 14. Farbfaksimile-Band der Abenteuer von «Tim und Struppi» vor. Es handelt sich um dasjenige Album mit der wechselhaftesten Entstehungsgeschichte: Zunächst ab September 1939 in Tranchen veröffentlicht, musste die Geschichte nach ein paar Monaten und 56 Seiten wegen der Kriegsereignisse unterbrochen werden. Mehr als acht Jahr später – sechs weitere Alben waren inzwischen entstanden – erschien während 1½ Jahren die zweite und Ende der 1960er-Jahre die dritte, endgültige Fassung.

 

Dies zog tief greifende Veränderungen nach sich, weil inzwischen neue Figuren zum «Tim und Struppi»-Kosmos gestossen waren. Zudem war die Weltpolitik nicht mehr dieselbe – entsprechend wurde aus dem Konflikt jüdischer Organisationen gegen britische Besatzer schliesslich eine Auseinandersetzung zwischen verfeindeten Emiraten. Besitzer aller drei Fassungen dürfen sich aufgrund der Differenzen auf einen ausgedehnten Archälogie-Streifzug freuen! Der 15. Band «Reiseziel Mond» ist auf Ende November angekündigt. (scd)

 

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Dante’s Inferno

Der es mit dem Teufel aufnimmt

Beatrice schmort in der Hölle. Was bleibt für den Kreuzritter Dante, nachdem er im Auftrag Gottes reihenweise Heiden abgeschlachtet hat und als Held gefeiert wird, anderes zu tun, als schleunigst seine Angebetete aus Luzifers Würgegriff zu befreien und für sie im wahrsten Sinne des Wortes durch die Hölle zu gehen? Doch so einfach wird es Dante nicht gemacht…

 

Dante Alighieris erstes Buch der «Göttlichen Komödie» aus dem 14. Jahrhundert als Hack’n’Slay-Gameadaption und nun basierend darauf als Comic: Kann das gut gehen? «Dante’s Inferno» («Der Comic zum Hit-Videogame von Electronic Arts», Panini, zirka 24 Franken) von Christos Cage und Diego Latorre erstaunt zunächst durch die bei einem Comic so noch nie da gewesene Computer-Grafik. So progressiv das Artwork auch sein mag und so gut es auch bei gewissen einzelnen Panels auch funktioniert – nach wenigen Seiten hat man von den Wischiwaschi-Effekten und Gammelfondue-Fäden bereits genug. Generell kommt Dantes Höllenfahrt viel zu statisch daher, um wirklich an Fahrt zu gewinnen. Und die pseudo-hochstehenden Dialoge wirken aufgrund der omnipräsenten Abschlachtszenen letztlich auch reichlich aufgesetzt. (scd)

 

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Red

Blutiger, sinnloser Rachefeldzug

Paul Moses, ehemaliger Agent der CIA, verbringt seinen Ruhestand völlig isoliert. Nach einer jahrzehntelangen, blutrünstigen Karriere will er keine Menschenseele mehr sehen. Doch als neue Vorgesetzte entscheiden, dass er lebend zu gefährlich ist und ihn zu liquidieren versuchen, startet er einen unerbittlichen Rachefeldzug.

 

Pünktlich zum Start des auf dem Comic basierenden Films mit Bruce Willis, Morgan Freeman und John Malkovich, erscheint nun «Red» (Panini, zirka 20 Franken) auch auf deutsch. Im Einzelband von Autor Warren Ellis («Transmetropolitain») und Zeichner Cully Hamner wird mit Gewalt nicht gegeizt. In dem dünnen Comic (knapp über 80 Seiten) werden auf fast jeder Seite gleich mehrere Menschen getötet, vorzugsweise per Kopfschuss in Grossaufnahme gezeigt. Wobei dabei die farbintensiven Bilder von Cully Hamner lobend zu erwähnen sind. Was aber fehlt, ist der Ellis'sche Humor und sein sonst so akkurates Gespür für spannende Plots. So bleiben nur ein paar Seiten, die vor allem Liebhaber knallharter Action zufriedenstellen werden, die nicht unbedingt eine ausgeklügelte Handlung brauchen um glücklich zu sein. (ras)

 

(Nachbemerkung: Zum Glück hat der leichtfüssig und mit einem selbstironischen Touch inszenierte, jederzeit unterhaltsame, mit einem groovigen Score untermalte und sowieso grandios besetzte gleichnamige Film – man mag es kaum glauben – nichts, wirklich rein gar nichts mit dem Machwerk von Ellis zu tun. Also: Den Comic links liegen lassen und stattdessen mit dem Geld ab ins nächste Kino für 110 Minuten vergnügliche Action! (scd))

 

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Furious Love 3

Schluss mit der japanischen Bohème

Maler Sutehachi kämpft sich weiterhin durch sein ärmliches Künstlerleben. Zu allem Überfluss scheint auch die lange angebahnte Romanze mit O-Ei ein tragisches Ende zu nehmen und bei einem Abstecher in die Unterwelt wird ihm offenbart, dass sein Meister Hokusai bald das Zeitliche segnen wird.

 

Der dritte und letzte Band von «Furious Love» (Carlsen, zirka 24 Franken) zeigt in schwarz-weissen Bildern erneut das Leben im recht freizügigen Künstlermilieu im alten Japan. Besonders gelungen sind dabei die eingeflochtenen Entstehungsgeschichten bekannter Holzdrucke. Kunst-Freunde und Japan-Interessierte werden am meisten Freude daran haben. (ras)

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