Alpha ... Directions

Und es ward Licht

Geschätzte 4,55 Milliarden Jahre Evolution – vom Urknall über die Entstehung der Arten bis zum Auftauchen des Menschen –, dargestellt in 2000 Panels aus 350 Albumformat-Seiten: Es handelt sich unleugbar um ein ausserordentlich ambitioniertes Projekt, dem sich der 1970 im Gebiet der ehemaligen DDR geborene Jens Harder verschrieben hat und das jetzt dem unter dem Titel «Alpha … Directions» (Carlsen, zirka 84 Franken) vorliegt.

 

Innovation, Umfang, Detailreichtum, Komposition, Grafik: Das alles lässt das gesamte Feuilleton einhellig (und vollkommen gerechtfertigt) voller Lob und Ehrfurcht von diesem jeweils über eine bestimmte Seitenzahl mit je einer Farbe kolorierten und überaus textarmen Sachcomic – das Leben selber erzählt – sprechen. Das Geniale daran: Es handelt sich beim mit dem aktuellen Max-und-Moritz-Preis ausgezeichneten Werk nicht nur um eine Geschichte der Evolution, sondern gleichzeitig auch um eine Kulturgeschichte der wissenschaftlichen, religiösen und künstlerischen visuellen Repräsentation derselben. Dadurch zeigt sich eindrücklich die wandelbare Gestalt der Formationen des Wissens über die Epochen – und dass, wie Foucault sagte – die Wahrheit hochgradig «von dieser Welt» ist.

 

Geplant ist das Megaprojekt übrigens als Trilogie: In «Beta … Directions» rückt die Entwicklung des Menschen in den Fokus und in «Gamma … Visions» richtet Herder dann einen Blick auf Visualisierungen der Zukunft. (scd)

 

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Martha Washington 1

Ein amerikanischer Albtraum

Wir schreiben das Jahr 1996: Amerika – oder was davon übrig geblieben ist. Vom Bürgerkrieg zerfressen, unter einem Präsidenten, der über das Land wie ein Diktator herrscht. In diese unheilige Welt wird die Afroamerikanerin Martha Washington geboren. Das Ghettokind hat kein leichtes Los und muss schon früh traumatische Erfahrungen machen. Doch der eigentliche Wahnsinn beginnt erst, als sich die inzwischen erwachsene Frau mangels Perspektiven für die Zukunft freiwillig zum Militär meldet. Washington wird in den nächsten Jahren über sich hinauswachsen und zur Ikone einer kaputten Nation werden...

 

Ein skrupelloser Machtapparat, der Experimente am Menschen durchführt, den Regenwald zerstörende Fast-Food-Konzerne, Apachen, die ihr Land mit kriegerischen Mitteln zurück wollen, Neonazis im Weltraum, eine starke Frau im Zentrum. Sozialkritisch, blutig, tabulos: Das sind die inhaltlichen Ingredienzien von «Das Leben und Wirken der Martha Washington im 21. Jahrhundert» (Panini, zirka 33 Franken) von Frank Miller («Sin City») und Dave Gibbons («Watchmen»). Der Comic, der nun in drei Bänden mit bislang unveröffentlichtem Material neu aufgelegt wird, steht paradigmatisch für die heute in dieser Dimension kaum mehr vorstellbare Aufbruchstimmung im Medium Comic Ende der 1980er-Jahre. Dieser enorme Wille zum Bruch mit der Konvention, zur Progression während dieser Sattelzeit und der Glaube, dass der Vorstellungskraft in der neunten Kunst keine Grenzen gesetzt sind, widerspiegelt sich auch in der innovativen Erzähltechnik (Nur-Text-Einschübe inklusive), Panelgestaltung und dem grandiosen Artwork – stets die perfekte Balance haltend zwischen Kunst und Kommerz respektive diese Dualität gar nicht als Widerspruch auffassend. Einziger Wehrmutstropfen: Die ganz- und zum Teil gar zweiseitig realisierten Schlüsselszenen kommen in der längst vergriffenen deutschen Erstausgabe im Überformat natürlich viel imposanter zur Geltung. So oder so gehört «Give Me Liberty» (so der Originaltitel) – unübertrieben die ultimative Dystopie – in das Gestell eines jeden Liebhabers amerikanischer Comickunst. Der zweite Band ist auf Ende August angekündigt. (scd)

 

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Die Reise mit Bill

Reise der Hoffnung

Luke und seine kleine Tochter Tweety gabeln auf ihrer scheinbar ziellosen Reise durch Nordamerika den Kriegsveteranen Bill am Strassenrand auf. Dieser ist auf der Suche nach einem Schamanen, der ihm seine Beine, die er bei einem Helikopterabsturz verloren hat,  wieder herzaubern könnte. Das Vater-Tochter-Gespann unterstützt ihn dabei. Ihre Reise führt das ungleiche Trio von der Wüste bis ins ewige Eis.

 

Zufalls- und Schicksalsbegegnungen, fantastische Naturlandschaften: Matthias Schultheiss (unter anderem «Die Haie von Lagos», «Die Wahrheit über Shelby») ist zurück! Der Nürnberger, der sich einige Jahre von der Szene zurückgezogen hatte, gehört zu den wichtigsten deutschsprachigen Comicautoren. Das beweist er mit dem beinahe 300-seitigen Epos «Die Reise mit Bill» (Splitter, zirka 45 Franken), das auf dem Buchdeckel passend als «hypnotischer Roadmovie-Traum» beschrieben wird, erneut eindrücklich. Der Band, der Zeichnungen und Sprechtext konsequent trennt, zeichnet eine Odyssee – räumlich und im Geiste – nach und lebt vor allem von den hervorgebrachten Stimmungen. Unterschwellig handelt es sich um eine Kritik am Krieg und an der Unrecht hervorbringenden Zivilisation allgemein, doch klare Aussagen lassen sich kaum extrahieren. Das spielt jedoch auch keine Rolle. Kaufen, sich Zeit nehmen, geniessen. (scd)

 

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Superman/Batman: Was wurde ...?

Vom Kommen und Gehen der Superhelden

Alle paar Jahre ist es wieder so weit: Im ewigen Kampf um Auflagezahlen muss der eine oder andere Superheld (respektive einer der unzähligen Paralleluniversum-Doppelgänger) ins Gras beissen – um schon bald neu erstarkt Wiederauferstehung zu feiern. Und sofern die Qualität stimmt, hat man daran eigentlich ja auch gar nichts auszusetzen.

 

Dass dem im vorliegenden Fall so ist, scheint bei der nun neu aufgelegten Story «Was wurde aus dem Mann von morgen?» (Panini, zirka 26 Franken) aus dem Jahr 1986 bereits der Autorname Alan Moore (unter anderem «Watchmen», «V wie Vendetta» und «From Hell») zu suggieren. Doch kann das Talent des britischen Schriftstellers in einem derart stark limitierten Rahmen – einem Zweiteiler in einer laufenden Heftserie mit strikt vorgegebener Seitenzahl – vollumfänglich zur Entfaltung gelangen? Die Antwortet lautet: jein. (scd)

 

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Kick-Ass 2

Jetzt gehts ans Eingemachte

Grösser, böser. Aber auch besser? Diese Frage drängt sich bei der Lektüre des zweiten und abschliessenden Teils von «Kick-Ass» (Panini, zirka 22 Franken) von Mark Millar und John Romita Jr. auf – und muss klar verneint werden. Die Bekanntschaft mit einem anderen selbsternannten Superhelden der MySpace-Generation vermag die Geschichte um den Halbwüchsigen Dave Lizewski, der sich eines schönen Tages einen Neoprenanzug bei Ebay ersteigert und in diesem Tenue seither mehr oder minder erfolgreich als Vigilant durch New Yorks Strassen streift, ja durchaus noch voranzutreiben und um eine weitere Facette zu bereichern.

 

Doch der den Band klar dominierende Big Daddy/Hit-Girl-Strang bietet leider vor allem eines: sinnlose Brutalität satt. Das beginnt bei abgetrennten Gliedmassen a gogo, geht über Folterungen mit Elektroschocks an Intimstellen und endet bei Schüssen ins Rektum, platzende Köpfe – schliesslich bahnen sich die Kugeln ja ihren Weg durch den ganzen Körper der Tuniguchte – inklusive. Weniger wäre hier definitiv mehr gewesen. Ein Splatter-Finale, wie das bei «Old Man Logan» durchaus Sinn macht, funktioniert in diesem realistisch angelegten Setting einfach wirklich nur bedingt. – Trotzdem gehört diese Tour de force übers Ganze gesehen zum Innovativsten, was das Genre in letzter Zeit herausgebracht hat und ist vor allem für diejenigen, die Vergnügen an postmodernen Superhelden-Universen finden, absolute Pflichtlektüre. (scd)

 

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Kapitän Scharlach

Die Abenteuer eines Kopfmenschen

Monelle als Strassenmädchen in die Unterwelt ein. Dort trifft sie den Piratenkapitän Scharlach und seine Bande von Geköpften. Er ist von ihrer schlafwandlerischen Art und der Poesie ihrer Worte gleich so verzaubert, dass er sie entführt. Als sich Marcel auf die Spuren des Piraten mit der goldenen Maske begibt, um Monelle zurückzuholen, findet er endlich das Abenteuer, das er gesucht hat.

 

«Kapitän Scharlach» (Avant, zirka 36 Franken) ist eine Hommage an den französischen Gelehrten, Erzähler und Poeten Marcel Schwob (1867–1905). David B. («Die heilige Krankheit») hat für das Szenario Motive aus dessen Leben und Werk ineinander verwoben, um den Leser in die Fantasiewelt von Schwob zu entführen. (wak)

 

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War and Dreams

Verschüttete Träume

In einem Dorf an der nordfranzösischen Küste erinnern sich vier Männer an ihre Soldaten-Vergangenheit und wie der Zweite Weltkrieg ihr Leben für immer verändert hat. Jeder hat unter anderer Flagge gedient – glücklich wurde keiner. Alle (ausser beinahe ironischerweise der Deutsche Erwin, dessen tragisch ausgehender Liebesbeziehung zu einer Einheimischen der grösste Platz eingeräumt wird) haben auf ihre Weise Schuld auf sich geladen. Schuld, die sich nicht wieder gut machen lässt und auch Jahrzehnte danach andauert.

 

Maryse Charles ist mit «War and Dreams» (Splitter, zirka 44 Franken) ein starkes Werk mit erotischen Einsprengseln gelungen, das auf berührende Weise eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlägt, ohne zu moralisieren. Ihr Ehemann Jean-Francois Charles – das Duo schuf bereits den ebenfalls bei Splitter erschienenen Comic «India Dreams» – trägt mit seinem detaillierten, kunstvollen Aquarellstil viel zur Atmosphäre bei. Die Idee des fiktiven Frontmagazins (inklusive Pin-up-Girl in der Mitte) aus jener Zeit als Beilage sowie des Nur-Text-Kapitels am Ende – eine quasi-authentische Abschlussarbeit einer Geschichtsstudentin – ist zwar innovativ, letztlich dann aber doch etwas zu viel des Guten. (scd)

 

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Die Sandkorntheorie

Vom Schlagen der Schmetterlingsflügel

Brüsel im Jahr Siebenhundertirgendwas: In der Paralleluniversum-Version der belgischen Hauptstadt gerät alles aus dem Ruder: Sand und grosse Steine tauchen aus dem Nichts aus, bis deren Fülle bedrohliche Masse annimmt – gleichzeitig verliert ein fülliger Koch immer mehr an Gewicht. Alles scheint mit einem mysteriösen Amulett eines Besuchers von weither in Zusammenhang zu stehen, der in den Strassen Brüsels zu Tode kommt (ein Tramunfall).

 

Wenn das Prädikat «hermetisch» auf ein Werk passt, dann definitiv auf «Die Sandkorntheorie» (Splitter, zirka 44 Franken) von Francois Schuiten und Benoit Peeters (das Duo schuf die Serie «Die geheimnisvollen Städte»). Von banal bis hochphilosophisch liegt bei der Lesart alles drin. Wie die persönliche Einschätzung auch ausfallen mag: Die ungeheure Faszination, die von dem schwarzweiss ausgeführten Comic ausgeht und der man sich nur schwerlich zu entziehen vermag, kann nicht geleugnet werden. (scd)

 

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R.I.P. – Best of 1985–2004

Schaurig schön morbid

«R.I.P. – Best of 1985–2004» (Edition Moderne, zirka 40 Franken): Das ist die einstweilige Essenz von Thomas Otts Schaffen. (Doch weshalb reicht die Compilation nicht bis 2010?) Über den schmucken, leinengebundenen Band lässt sich dasselbe sagen (und das meine ich als Fan) wie bereits über «The Number 73304-23-4153-6-96-8», bei dessen Besprechung ich mich vielleicht zu etwas gar pointierten Formulierungen hinreissen liess.

 

Deshalb hier ins Positive gewendet: Seit über zwei Jahrzehnten liefert der Künstler (meist) kurze, textlose Episoden in konstant hoher Qualität ab, denen die Prämisse zugrunde liegt, dass der Mensch uneingeschränkt böse ist. An der Faszination, die von diesen Miniaturen ausgeht, hatte das Artwork – Otts Schabkarton-Technik ist nach wie vor singulär – stets einen grossen Anteil. So schön war bildlich zu Papier gebrachte Todessehnsucht noch nie. Punktum. (scd)

Storm 13: Der Mörder von Eriban

Schiffbrüchige im Weltraum

Storm, Rothaar und Nomad treiben nach ihrer Flucht von Pandarve immer noch auf einem gigantischen Flugsamen durchs All. Da nähert sich ihnen ein Raumgleiter. Dies ist der Beginn eines weiteren fantastischen Abenteurs des Trios, in dem ein kindlicher Killer und ein Schachspiel, bei dem es um Leben und Tod geht, den Fortgang bestimmen.

 

«Der Mörder von Eriban» (Splitter, zirka 24 Franken) markiert einen Wendepunkt im «Storm»-Kosmos. Das merkt man bei der Lektüre dieses 13., ursprünglich 1985 erschienenen Bandes der Serie und wird einem im lesenswerten Nachwort denn auch so bestätigt. Stilistisch durch das Experimentieren mit verschiedenen Techniken recht heterogen geraten, wartet die wiederum enorm detailverliebte Grafik von Don Lawrence mt zahlreichen Höhepunkten auf – so etwa der Modulierung des Planeten des Königreiches Marrow und Massenszenen in einem Amphitheater. Auch der Plot mit seiner ausgewogenen Mischung zwischen langsamen und actionbetonten Elementen von Martin Lodewijk überzeugt – die Idee mit dem Berufsmörder in Ausbildung überrascht und auch das Einbringen des Schach-Motivs muss als gelungen bezeichnet werden. (scd)

 

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The Losers 1: Goliath

Das dreckige halbe Dutzend

Ein in Ungnade gefallenes Special-Forces-Team dreht den Spiess um und erklärt kurzerhand der CIA den Krieg. Um von einer geheimer als geheimen Todesliste gestrichen zu werden, besetzen die Vollblut-Profis einen gigantischen Ölterminal im Hafen von Houston, in dem keineswegs nur Öl lagert. Doch die Mission läuft alles andere als rund, zumal

 

Manchmal braucht es eine Verfilmung – durchzogene Kritiken hin oder her –, bis man einen amerikanischen Comic auch für den deutschen Markt antesten kann. Das hat man sich wohl bei Panini gedacht und bringt nun ganze sechs Jahre nach der Erstveröffentlichung den ersten von fünf Sammelbänden der Serie «The Losers» («Goliath», zirka 29 Franken) von Andy Diggle und Jock heraus. Dieser dürften auch im hiesigen Sprachraum einige Fans beschieden sein: Ein Artwork, das vom Zeichenstil und den ungewohnten Perspektiven her an «100 Bullets» erinnert, und ein spannender Plot mit coolen Sprüchen garantieren kurzweilige Unterhaltung. (scd)

 

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Heiligtum 1: USS Nebraska

Eine Tauchfahrt, die ist lustig, falleri fallera

Berlin 1945: Nazi-Deutschland liegt in Trümmern. In der besetzten Zone hortet die Rote Armee einen scheinbar unermesslichen Schatz und ist für den Schutz eines gigantischen, uralten Artefakts bereit, über Leichen zu gehen. – Zeitsprung ins Jahr 2029: Das ultramoderne US-U-Boot Nebraska empfängt ein merkwürdiges Signal aus den Tiefen des Mittelmeers. Die Erkundung wird zum Höllentrip...

 

Christophe Bec betätigt sich nach den im Alleingang gestalteten Serien «Prometheus» und «Carthago» beim Dreiteiler «Heiligtum» (Band 1: «USS Nebraska», Splitter, zirka 22 Franken) wiederum in genau demselben Fahrwasser wie mit den Vorläufern. Auch «Heiligtum», geschrieben von Xavier Dorison («Long John Silver»), funktioniert perfekt nach dem «Da Vinci Code»-Prinzip – eine optimale Mischung zwischen Wissenschaftsthriller und einem Schuss Mythologie/Mystery. Sowohl Plot als auch Grafik kommen dabei (wiederum) grundsolid daher. Aber das alles vermag leider nicht darüber hinwegzutäuschen, dass das Szenario halt leider schon arg verbraucht ist. – Band 2 ist auf den August angekündigt. (scd)

 

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Splitter

Weiterhin in den Comic-Regalen

Drei neue hochkarätiger Serien dürften Pflichtstoff für viele sein: Da wäre zum einen der zehnte und letzte «Sandman»-Band «Das Erwachen» (Panini, zirka 42 Franken) von Neil Gaiman, in dem Freunde und Feinde des toten Herrschers über das Traumreich gedenken. Zum einen lockt der elfte «100 Bullets»-Band «Das Einmaleins der Macht» (Panini, zirka 33 Franken) von Brian Azzarello und Eduardo Risso, in dem es wieder recht derb zur Sache geht, zum Kauf. Ausserdem zu erwähnen ist da noch der ebenfalls elfte «Fables»-Band «Der gute Prinz» (Panini, zirka 42 Franken) von Bill Willingham und Mark Buckingham, in dem der ehemalige Froschkönig endlich zeigen kann, was in ihm steckt. Kaufen, kaufen, kaufen! (scd)

«Reisende im Wind» ist das beste Werk von Francois Bourgeon: Mag sein, aber der Dreiteiler «Die Gefährten der Dämmerung» (Splitter, zirka 23 Franken) gefällt zumindest mir mit seiner Mischung zwischen Historie und Fantasie noch einen Tick besser. 1984 erstmals erschienen und lange Zeit auf Deutsch vergriffen, liegt nun endlich eine Neuausgabe des ersten Bandes «Im Zauber des Nebelwaldes» vor. Darin wird die erste Etappe der Odyssee dreier tragischer Gestalten – eine Verfemte, ein dem Tod entronnener Jüngling und ein Ritter ohne Gesicht – zur Zeit des 100-jährigen Krieges nachgezeichnet. (scd) Infos und Leseprobe »

Bislang stand der junge Offizier Martin Mahner, der mittlerweile an der Riviera stationiert ist, im Mittelpunkt des Geschehens der formidablen historischen Serie «Unter dem Hakenkreuz» von Jean-Michel Beuriot und Philippe Richelle. Das ändert sich im dritten Band «Maria» (Schreiber und Leser, zirka 34 Franken), bei dem der Fokus auf das Schicksal von Mahners früherer Freundin gelegt wird. Diese ruft zusammen mit Gleichgesinnten mittels nazi-feindlichen Flugblättern zum Widerstand auf. Die junge Mutter geht letztlich den Weg der meisten Dissidenten im Dritten Reich. Aufrüttelnd. (scd) Detaillierte Besprechung von Band 1 + 2 »

Klein und fein: In der 99. «Strapazin»-Ausgabe (10 Franken) geraten die so genannten Micro-Editions in den Fokus des Interesses. Dabei handelt es sich um Klein- und Kleinstverlage aus dem französischen Sprachraum – die Auflagen liegen im Regelfall zwischen 20 und 300 Exemplaren. In diesem Indie-Universum wird nach der «Hauptsache, es macht uns Spass»-Mentalität frischer Wind ins Medium gebracht. Das neue «Strapazin» versammelt eine Auswahl dieser unorthodoxen und dabei gar nicht mal kopflastigen Geschichten. Sehr lesenswert ist zudem das Interview mit den wichtigsten Verlegern der Szene. (scd)

Reverend Jesse Custer wird für tot gehalten und fühlt sich von Tulip und Cassidy betrogen. Gibt es unter diesen widrigen Umständen eine bessere Medizin, als in einem kleinen Kaff in Texas, das von einem perversen Fleischkonzern-Mogul kontrolliert wird, als Sheriff anzuheuern und mit einem imaginären John Wayne an der Seite mal so richtig aufzuräumen? Der Kampf gegen Odin Quincannon im siebten und damit drittletzten «Preacher»-Sammelband «Einsam sind die Tapferen» (Panini, zirka 50 Franken) von Garth Ennis und Steve Dillon ist ein gelungenes Intermezzo, bevor der Hauptstrang weiter in Richtung Duell mit Gott in der Wüste vorangetrieben wird. (scd)

Mit dem dritten und letzten Band von «Kirihito» (Panini, zirka 31 Franken) endet die von Osamu Tezuka trotz des enormen Tiefgangs mit viel Tempo inszenierte, hochdramatische Odyssee um einen Mediziner, dessen Körper durch eine unbekannte Krankheit hundeähnliche Züge angenommen hat. Der vielschichtige Medical Thriller von 1970/71, in dem es um die ethischen Grenzen der Forschung wie auch um die Differenz von Mensch und Tier geht, gehört unleugbar zum Besten, was der japanische Comic zu bieten hat. Auf Ende Oktober angekündigt ist übrigens mit «Pluto» der erste Teil der preisgekrönten Adaption von Tezukas «Astro Boy». (scd)

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MyComics.de hat sich mit Leseproben und User-Comics innerhalb relativ kurzer Zeit zu einer Page gemausert, die man immer wieder mal gern besucht. Eine Auswahl der hochgeladenen Werke hat es nun auf Papier in die Compilation «MyComics 1» (Panini, zirka 26 Franken) geschafft. Ob es sich dabei wirklich um «Perlen der 9. Kunst» und «die besten Online-Comics» handelt, sei dahingestellt. Auf jeden Fall fasziniert die ungeheuere Diversität der Beiträge bezüglich Inhalt und Form. Und die Stossrichtung, dass ein sich populäre Comics spezialisierte Grossverlag des deutschen Nachwuchses ernsthaft annimmt, ist sowieso lobenswert. (scd)

Mit «Spider-Man» ist ein äusserst gelungener Einstand der Serie «Marvel Noir» gelungen. Leider kann das hohe Niveau mit den beiden Folgebänden «Wolverine» und «X-Men» (Panini, je zirka 26 Franken) nicht gehalten werden. Die Hard-Boiled-Version des Krallenmanns bereitet dabei noch am meisten Freude. Auch wenn am Schluss des geradezu klassischen Intrigen- und Rachestoffs nicht viel Substanz bleibt, kann der Band mit seiner stimmig-düsteren Grafik punkten. Dies kann leider vom Artwork von «X-Men» (Leseprobe ») überhaupt nicht behauptet werden. Zusammen mit der mittelprächtigen Story reicht es hier höchstens für das Prädikat genügend. Als weiterer Titel der Serie ist «Daredevil» angekündigt. (scd)

Die Amerikaner haben wirklich nach wie vor ein Riesenproblem mit Vietnam, geht mir durch den Kopf, als ich mir «The Punisher: Garth Ennis Collection 5» (Panini, zirka 42 Franken) zu Gemüte führe und Zeuge werde, wie Frank Castle genüsslich eine Hundertschaft von Angreifern durchsiebt und sogar Querulanten aus dem eigenen Lager das Licht auspustet. Zwar wird das Ganze von einem Soldaten, der die Sinnlosigkeit dieses Krieges längst erkannt hat einfach nur heil heimkommen möchte, aus dem Off kommentiert, doch insgesamt dominieren halt doch die Metzelszenen. Einerseits faszinierend, andererseits beängstigend. (scd)

Ein Vagabund und ein Huronen-Krieger ziehen mit den Franzosen Mitte des 18. Jahrhunderts im Kampf um die Vorherrschaft in der Neuen Welt gegen die Engländer in den Krieg. Beim Durchstreifen der Wälder werden die ungleichen Freunde Zeuge, wie sich eine uralte indianische Prophezeiung zu erfüllen scheint und Tod und Verderben unter den Soldaten bringt. Horror und Indianer: Geht das zusammen? Etwas gewöhnungsbedürftig ist die Mixtur von «Bravesland 1» (Splitter, zirka 22 Franken) schon. Am zweiten und letzten Band wird sich weisen müssen, ob die Rechnung aufgeht. (scd) Infos und Leseprobe »

«Künstler stets von den Besten der internationalen Zeichnerwelt» seien es gewesen, die für die Gestaltung je einer Seite in der Monatsbeilage «Le monde diplomatique» seit 2005 eine Carte blanche erhalten haben, heisst es auf Umschlag von «In 50 Comics um die Welt» (Reprodukt, zirka 49 Franken). Entsprechend liest sich das Inhaltsverzeichnis wie ein Who's who der alternativen Comicszene. Trotzdem lohnt sich eine Anschaffung des grossformatigen, hochwertig gestalteten Bandes nur bedingt: Zu verschieden ist die Güte der (oftmals gerade erstaunlich unpolitischen) Beiträge. (scd) Infos und Leseprobe »

Wow, Panini geht in letzter Zeit ganz schön ran! Auf Manara und «Horst» folgt nun «Honigfeigen» (zirka 30 Franken, ab 16 Jahren) des bunten Kölner Vogels Sanni Kentopf. Darin wird die noch unerfahrene Ricky in einer Frauen-WG praktisch ins Thema Sex eingeführt, wobei lesbischen Spielarten eine grosse Rolle zugestanden wird. Alberto Saichann hat die vom Plot her hauchdünne Hardcore-«Sex & the City»-Mixtur in recht durchschnittlicher, zuweilen erstaunlich expliziter Cartoon-Grafik ausgeführt. Wer's mag... Die Schose zwecks Legitimation der Porno-Szenen als «Comic-Roman» zu belabeln, mutet jedenfalls brutal grotesk an. (scd)

Über 30 Jahre nach dem Erscheinen des über 1000-seitigen Mammutwerks und der eher lauwarmen TV-Adaption von 1993 ist es so weit: Nach «Der dunkle Turm» kommt auch «The Stand – Das letzte Gefecht» von Stephen King als Comic auf den Markt (Band 1: Captain Trips, Panini, zirka 29 Franken). Der Band überzeugt sowohl formal als auch erzählerisch: Ein idealer Einstieg ins King-Universum oder aber eine gute Gelegenheit, um sich die packende Apokalypse-Vision nochmals in einem anderen Medium zu Gemüte zu führen. Leseprobe »

Mit dem zwölften «Tim und Struppi»-Band «Die sieben Kristallkugeln»  (1943/44), dessen Farbfaksimilie-Edition nun erschienen ist (Carlsen, zirka 33 Franken), wendet sich Hergé wieder dem Fantastischen zu. Die schwarzweisse Urfassung wurde zum Teil stark gestrafft, und die heutige im Vergleich zur ersten Farbversion stellenweise auch inhaltlich verändert. Die Fortsetzung «Der Sonnentempel» erscheint voraussichtlich Ende Juli. (scd)

Mit «Spock» und «Nero» (je zirka 26 Franken) sind die Bände 3 und 4 der «Star Trek»-Reihe bei Cross Cult erschienen. Angesiedelt vor dem letztjährigen Kinofilm von JJ Abrams, steht – wie die Titel schon besagen – zum einen der romulanische Bösewicht, zum andern der spitzohrige Vulkanier im Fokus. Für Trekkies wohl ein absolutes Must, für alle anderen ein rotes Tuch. Deshalb fairerweise ohne Bewertung. (scd) Die «Star Trek»-Comics im Überblick »

Batman ist tot, lange lebe der neue Batman! Der «Kampf um die Maske» ist vorbei, doch die Probleme in Gotham City werden nicht geringer. Firefly entzündet Menschen en masse und die Riesenfledermäuse werden sogar dem Dunklen Ritter zu viel. Trotz einigen guten Ansätzen ist «Batman Sonderband 25: Die Strassen von Gotham» (Panini, zirka 29 Franken) von Paul Dini und Dustin Nguyen schlicht Dutzendware. Wer das düstere Cover-Artwork mag, wird zudem vom poppigen Cartoon-Stil im Bandinneren mächtig enttäuscht sein. (scd)

Die Festschrift zum 175-Jahre-Jubiläum der Aargauer Volksschule, die an 80'000 Schüler und Lehrer als Geschenk verteilt wurde, ist – ein Comic. Ohne diesen ausgelesen zu haben, lässt sich sagen: Zum einen handelt es sich bei «Dachsspur» (Schulverlag plus, 7 Franken respektive online gratis) von Markus Kirchhofer, Urs Plüss und Diego Balli natürlich um einen begrüssenswerten Vorstoss, zum anderen stellt sich bei solchen Projekten immer auch die Frage nach der Akzeptanz gerade bei Schülern höherer Klassen. (scd)

«Blackest Night, das diesjährige DC-Event, hüllt das ganze DC-Universum in Finsternis!», heisst es im Vorwort zu «Blackest Night Sonderband 1: Batman & Titans» (Panini, zirka 29 Franken). Don't believe the Hype!, möchte man dieser Ansage am liebsten entgegenschmettern. Wie auch immer. Dass die Untoten nun nach «Marvel Zombies» auch das DC-Universum aufmischen, weckt die Kaufeslust: Der Band steht im Moment (vor «Kick-Ass 2») auf Platz 1 der Panini-Verkaufscharts. Deshalb das Prädikat: Wers mag. (scd)

Der aus seinem Unterweltreich vertriebene Alberich meuchelt die Rheintöchter, um an deren Himmlisches Gold zu gelangen. Aus diesem schmiedet er sich einen Ring, der ihn so mächtig macht, dass er als König zurückkehrt. Doch auch der Göttervater Wotan hat ein Auge auf das kostbare Kleinod geworfen... Mit «Götterdämmerung» (Band 0: «Der Fluch des Ringes», Splitter, zirka 22 Franken) wird die Nibelungensage im Comic zu neuem Leben erweckt. Für alle Anhänger des germanischen Epenstoffs. (scd) Infos und Leseprobe »

Im Reich von Werwölfen und -koyoten (!), Vampiren und Elfen: Wer diese Mixtur mag, ist mit «Mercy Thompson 1: Heimkehr» (Panini, zirka 26 Franken) aus der Feder der Bestseller-Autorin Patricia Briggs gut beraten. Sollte man denken. Weit gefehlt – denn die nach der Hälfe einsetzende encausticähnliche Grafik ist derart misslungen, dass man den Band, der von der Story her eigentlich gar nicht mal sooo schlecht ist, entnervt zur Seite legt. Kaufwarnung. (scd)

«Durch die Reduktion und Abstraktion und die sie umgebende Leere erscheinen die Zeichnungen wie klinisch extrahierte Gedanken»: So wird «Corps Etranger» (Edition Moderne, zirka 9 Franken) der Bielerin Céline Meyrat vom Verlag charaktierisert. Eine spezielle Angelegenheit. – Wer übrigens glaubt, bei den abstrakten Zeichnungen handle es sich um keine sequenzielle Kunst, täuscht sich. Jedenfalls wenn es nach meiner vierjährigen Tochter geht, die beim Durchblättern sofort eine fortlaufende Geschichte dazu erfunden hat. (scd)

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