Mouse Guard – Herbst 1152

Mäuse-Zwischenwelt

Vermenschlichte Mäuse, die in einer mittelalterlichen Zwischenwelt agieren, winzige Hellebarden gegen angreifende Schlangen schwingend, sich gegen gigantische Krabben und schliesslich auch gegen megalomane Artgenossen zur Wehr setzend: Kann aus dieser Anlage ein konsumerabler Plot erwachsen, der auch Erwachsene Nicht-Fantasy-Fans zufriedenstellt? Mit Blick auf «Mouse Guard – Herbst 1152» (Cross Cult, zirka 44 Franken) des amerikanischen Newcomers David Peterson ist dies nur zu bejahen.

 

Und daran ist die superbe grafische Umsetzung dieses ohne viel Text auskommenden Werks nicht ganz unschuldig: Das farbenprächtige Epos in quadratischem Format überzeugt durch seine Panelkomposition und seine bei Schlüsselszenen ganzseitigen Illustrationen, die sehr viel zur stimmigen Atmosphäre beitragen und das Ganze glücklicherweise nie ins allzu niedliche und seichte Disney-Fahrwasser abgleiten lassen (auch wenn die Illustrationen und Tierfiguren stark denjenigen einschlägig bekannter Kinderbücher ähneln, aber dies dürfte wohl beinahe unvermeidbar sein). An Rollenspiele gemahnende Zusatzseiten mit Informationen über die Mäusevölker sowie einem Nachwort zum Stellenwert der Mausfigur in Comics und Literatur runden den sehr positiven Gesamteindruck ab. (scd)

Lost Girls

Tabus telefonbuchdick thematisiert

Nun ist es also endlich offiziell erschienen: «Lost Girls» (Cross Cult, zirka 124 Franken), das neue Werk des Über-Autors Alan Moore, der ganz nebenbei Ende Mai am Comic-Salon Erlangen noch mit dem «Max & Moritz»-Preis, der höchsten Auszeichnung in der deutschen Comicbranche, honoriert worden ist. Und: Der äusserst luxuriös aufgemachte und von Moores Frau Melinda Gebbie illustrierte Drei-Kilogramm-Band ist tatsächlich hochgradig pornografischer Natur, wie dies bereits die kontrovers geführte Diskussion beim US-Release erahnen liess. Pornografisch jedenfalls, was die einzelnen Panels anbelangt, in denen explizite Szenen zu sehen sind, die alles zeigen, was anatomisch möglich ist, wobei homoerotischen Szenen ein grosser Platz zugestanden wird. Das Porno-Label wird jedoch bei einer eingehenden und unvoreingenommenen Lektüre sehr schnell hinfällig. Dafür ist der Kontext viel zu differenziert und zu ausgeklügelt, die formale Gestaltung um ein Vielfaches zu kunstvoll.

Im ausführlichen Interview spricht der britische Künstler von seinem ambitionierten Ziel, welches er mit «Lost Girl» verfolgen möchte, von Sex in bildlichen Darstellungen sowie von der Zusammenarbeit mit und seiner Liebe zu Melinda Gebbie.

 

Zum Interview »

Übrigens: Seit kurzem ist endlich auch die längst fällige Paperbackausgabe von «Watchmen» (Panini, zirka 50 Franken) erhältlich – der Comic, mit dem Moore in der Mitte der 1980er-Jahre zusammen mit Werken wie etwa Frank Millers «Der Dunkle Ritter kehrt zurück» den Superhelden-Kosmos in die Postmoderne hinüberschleuste. (scd)

The Number 73304-23-4153-6-96-8

Zahlen-Paranoia

Nach drei Jahren Wartezeit ist der neue Comic des Zürchers Thomas Ott erschienen, dessen Werk durch die Kratzkarton-Technik nach wie vor über die Landesgrenzen hinweg einzigartig ist. Inhaltlich knüpft «The Number 73304-23-4153-6-96-8» (Edition Moderne, zirka 35 Franken) an den Vorgänger «Cinema Panoptikum» – und ebenso an den berühmt gewordenen Erstling «Tales of Error» von 1989 und all die anderen Zwischenwerke an. Mit anderen Worten: Inhaltlich gesehen kann – provokant gesagt – seit zwanzig Jahren von einer Stagnation auf hohem Niveau gesprochen werden.

 

Auf den Punkt gebracht: Morbid-kafkaeske Plots, mit einer gehörigen Portion schwarzem Humor versetzt. Dasselbe gilt fürs Formale: Jedes Panel spiegelt sich im anderen wieder, ein unendliches Verweissystem aufbauend, in dem letztlich keine innere Weiterentwicklung sichtbar ist. Wohin soll Ott noch gehen, wohin kann er gehen? So oder so haftet der ganzen Serie zweifelsohne etwas Geniales an: Dieses Spiel mit Licht und Schatten, diese Erzählweise ohne Worte fasziniert – und macht zu jeder Zeit Lust auf mehr. Zudem darf dabei fairerweise auch nicht unerwähnt bleiben, dass sich Thomas Ott auch als Trickfilmer und Musiker einen Namen gemacht hat. (scd)

Hellboy 8: Die Troll-Hexe

Dämonen-Rückkehr

Beim lang erwarteten Band «Die Troll-Hexe» (Cross Cult, zirka 35 Franken) sticht die grösste Neuerung gleich ins Auge. Erstmals präsentiert Mike Mignola Hellboy und dessen Abenteuer in Farbe. Der achte Band der Serie führt nicht die eigentliche Rahmenhandlung weiter, sondern besteht aus einigen kurzen Nebenhandlungssträngen. Diese führen den paranormalen Ermittler unter anderem nach Malaysia, Norwegen und Afrika, wo wieder unheimliche Kreaturen, wie Trolle, Vampire und Riesen ihr Unwesen treiben. Eine weitere Besonderheit stellt das Mitwirken der prominenten Gastzeichner P. Craig Russel («Sandman») und Richard Corben («Den») dar.

 

Unbestrittener Höhepunkt des Bandes ist dabei die von Corben gezeichnete Geschichte «Makoma», die einen Einblick in Hellboys Vergangenheit gewährt. Corben kopiert den «Hellboy»-Stil fast perfekt und bereichert ihn mit seiner detailreichen Gestaltung. Insgesamt hinterlässt der Band dank den unterhaltsamen Geschichten mit dem trockenen Humor und der gelungen Interpretation der Gastzeichner einen überaus positiven Eindruck. Die neue Farbgebung bringt den Geschichten einen atmosphärischeren Effekt. Als einzigen Kritikpunkt könnte man die zum Teil recht knappe Länge einzelner Geschichten (zum Teil nur acht Seiten!) nennen, die schon zu Ende sind, bevor sie überhaupt richtig begonnen haben. (ras)

Matrix – Comics 1

Gastzeichner-Dystopien

«Music from and inspired by the motion picture»: Solche und ähnliche Angaben lassen bei Soundtracks meistens nichts Gutes erwarten. Nur zu oft enthält der Sampler die eine oder andere Perle – und viele Füller, die nichts, aber auch gar nichts mit dem Kinofilm zu tun haben. Ein ähnlicher Trend zeigt sich in letzter Zeit im Medium Comic, wenn (meist) namhafte Autoren und Künstler gebeten werden, für Sammelbände in sich abgeschlossene Kurzstorys zu einer Serie oder einem Thema abzuliefern. Dass solche Unternehmungen durchaus von Erfolg gekrönt sein können, verdeutlichten bereits Titel wie «Sandman. Ewige Nächte», «Elvis» oder unlängst «Batman. Schwarz-Weiss».

 

In dieselbe Bresche schlägt nun «Matrix – Comics» (Panini, zirka 36 Franken), im Prinzip ein logischer Kompanion der «Matrix»-Zeichentrickfilm-Zusammenstellung «Animatrix». Mit Bill Sienkiewicz, Neil Gaiman und Dave Gibbons sind wieder einmal die üblichen (hochkarätigen) Verdächtigen dabei. Erfreulich ist, wieder einmal etwas von David Lapham zu hören, dessen vorzügliche Pulp-Serie «Stray Bullets» im deutschsprachigen Raum leider nicht mehr fortgeführt worden und in Vergessenheit geraten ist. Auch die Kürzeststory von Underground-Autor Peter Bagge macht Freude. Generell gefällt die formale und inhaltliche Heterogenität der Beiträge – ob jedoch tatsächlich «vom fehlenden Baustein der Matrix» (Pressetext) gesprochen werden kann, bleibe dahingestellt. (scd)

Gamekeeper

Rächer-Epos

Schon jetzt steht fest, dass «Gamekeeper» (Panini, zirka 30 Franken) vom Szenarist Guy Ritchie («Snatch») und Produzent Joel Silver («Matrix») verfilmt wird. Die Geschichte um den Protagonisten Brock bietet sich dafür auch an. Auf dem abgelegenen Landgut von Professor Jonah Morgan in Schottland führt Brock ein ruhiges Leben als Wildhüter. Früher arbeitete der Tschetschene in seiner Heimat als Jäger und rettete einst den Professor vor russischen Gangstern, verlor dabei aber seinen Sohn. Die Vergangenheit holt die beiden ein. Beim Angriff einer Söldnertruppe auf das Landgut kommt der Professor ums Leben. Brock sinnt auf Vergeltung und beginnt einen Rachefeldzug.

 

Die bildnerische Gestaltung von «Gamekeeper» beeindruckt auf ganzer Linie. Die schottischen und tschetschenischen Naturlandschaften sind sehr ansehnlich gezeichnet, die Farbgebung, die je nach Schauplatz oder Zeit wechselt (Rückblenden in schwarz-weiss, Blautöne im kalten Schottland), fällt auch besonders positiv auf und stellt eine starke Atmosphäre her. Zudem bietet der Plot mit dem Tschetschenien-Konflikt und dem zivilisationsfeindlichen Protagonisten ein unverbrauchtes Szenario, das aber auch explizite Gewaltdarstellungen mit sich bringt. (ras)

Che

Revolutions-Nachwehen

Ernesto Che Guevara. Che, der Revoluzzer. Che, dessen Konterfei auf T-Shirts gedruckt noch immer um die Welt geht. Che, die Legende. Che, die Comicbiografie? Nur zu schnell kommt da der Einwand einer lediglich kommerziellen Zwecken dienenden Instrumentalisierung des Stoffs rund um den 1967 exekutierten, legendenumrankten Argentinier auf. Der ist im vorliegenden Fall jedoch keineswegs angebracht: «Che» (Carlsen, zirka 31 Franken) ist 1968 zum ersten Mal in Guevaras Heimatland erschienen, inszeniert von der Comicgrösse Héctor Oesterheld und gezeichnet vom Vater-Sohn-Gespann Alberto und Enrique Breccia.

 

Auf 80 Seiten wird in hartem Schwarz-Weiss-Kontrast das Leben und Sterben desjenigen Arztes erzählt, der Anfang der 1950er-Jahre eine Motorradreise durch den Kontinent unternommen hatte, die ihn für immer verändern sollte. Der Erzählgestus bleibt dabei durchs Band sachlich und nüchtern. In Argentinien fand der Comic reissenden Absatz. Mit der aufkeimenden Militärdiktatur (1976 bis 1983) verschwand es als verbotenes Werk jedoch wieder von der Bildfläche. Und mit ihm Héctor Oesterheld mit seiner Familie, die wie zehntausende andere von Militärs verschleppt und ermordet wurden. – Ein aufwühlendes und wichtiges, nach wie vor aktuelles Zeitdokument. (scd)

7 Brothers

Woo-Fantasywelten

Nach seinem Ausflug ins Videospiel-Genre («Stranglehold») gibt Regisseur John Woo («Mission Impossible 2») nun sein Comic-Debüt. Bei «7 Brothers» (Panini, zirka 31 Franken) wird er von Autor Garth Ennis («Preacher») und dem Zeichner Jeevan Kang («Spider-Man: India») unterstützt. Die Protagonisten der Handlung sind sieben Männer aus allen Teilen der Welt, die mit der Aussicht auf 100’000 Dollar nach Los Angeles gelockt werden. Vor Ort erfahren sie jedoch, dass es um viel mehr geht als Geld: Die Welt ist in Gefahr. Der unsterbliche Magier namens «Sohn der Hölle» wird nach 600 Jahren Gefangenschaft im Inneren der Erde bald ausbrechen und versuchen die Welt zu unterwerfen...

 

Der vorliegende Band beinhaltet die komplette Serie. Trotz des stellenweise haarsträubenden Plots gelingt Woo eine ansehnliche Mischung aus Fantasy- und Action-Elementen, die sehr kurzweilig zu lesen ist. Die ungewöhnlichen Panels, die auch einmal rund oder ausgefranst sind, tragen viel zur Dynamik der Geschichte bei und unterstreichen die ästhetisch hochwertigen und aufwändigen Bilder von Kang. Ein bisschen erzwungen wirkt jedoch die dem Happy End folgende Moral über Völkerverständigung. (ras)

Whiteout 2: Melt

Antarktis-Hatz

Klirrendes Eis, wohin das Auge reicht. Nach dem von der Kritik gelobten ersten Band der Serie «Whiteout» ist US-Marshal Carrie Stetko im zweiten Band «Melt» von Greg Rucka und Steve Lieber (Cross Cult, zirka 30 Franken) wieder zurück auf dem Südpol. Getreu nach dem Motto «Nicht kleckern, sondern klotzen» kommt hier plotmässig so ziemlich alles eine Nummer grösser daher: Zwar nicht wieder abgefrorene Finger, dafür gehts statt um die Auflösung von ein paar Morden in der ewigen Kälte nun um geklaute Atomwaffen – und die feindlichen Agenten fallen gleich reihenweise.

 

Zudem ist Stetko zum ersten Mal in einer erotischen Szene zu sehen, die mit ihren Kohleschraffierungen im Vergleich zur klarstrichigen Grafik der restlichen Seiten leider ziemlich quer in der Landschaft steht. Das für die Story eher atypische Schwarz-Weiss-Layout sowie der Einsatz einer starken Frau mit Ecken und Kanten als Hauptcharakter gefallen noch immer, die grosse Innovation ist jedoch ausgeblieben. Man darf auf den dritten Band gespannt sein – sowie auf die kommende Verfilmung, in der Kate Beckinsale die Protagonistin mimt. (scd)

Redhand 1: Der Preis des Vergessens

Zukunfts-Gemetzel

Eine verheerende Explosion zerstört die hoch technologisierte, futuristische Stadt. Mit diesen Bildern und ohne Erklärungen oder Sprechblasen beginnen Autor Kurt Busiek («Astro City») und Zeichner Mario Alberti («Morgana») den ersten Band der Fantasy-Saga um den Helden «Redhand» (Cross Cult, zirka 24 Franken). Jahrtausende später flüchtet eine Gruppe von Jägern und Sammlern am selben Ort vor Sklavenhändlern. Sie finden Zuflucht in den Ruinen der alten Stadt, die voller Maschinen sind. Dort befreien sie ein Wesen, das ihnen im Kampf beisteht – Redhand. Dankbar nehmen sie den Fremden in ihr Dorf mit und bringen ihm ihre Lebensweise näher. Doch der Frieden wärt nicht lange...

 

Die Rahmenhandlung mit der untergegangenen, aber hoch entwickelten Kultur wirkt viel versprechend. Die Zeichnungen sind detailreich und entfalten vor allem in den äusserst geschickt eingefangenen Kampfszenen ihre grösste Wirkung. Bleibt zu hoffen, dass sich das hohe Niveau von Plot und Zeichnungen auch in die geplanten zwei nächsten Bände retten kann. (ras)

Invisibles Monster Edition 1: Revolution gefällig?

Popkultur-Mischmasch

Irgendwann in Liverpool: Der Pennäler Jack Frost ist ein Herumtreiber, ein Taugnichts. Als er dabei erwischt wird, wie er seine Schule abfackeln will, ist das Mass voll und er kommt in ein Erziehungsheim. In diesem wird mit eher unkonventionellen Psychomethoden versucht, die jugendlichen Abweichler umzupolen. Glücklicherweise wird das titelgebende Superhelden-Team «Invisibles» durch die Heraufbeschwörung von John Lennons Geist auf den Teenager aufmerksam, entreisst Frost den Fängen des insektenartige Aliens anbetenden Heimdirektors, nimmt ihn bei sich auf, fortan durch Raum und Zeit reisend, um ebenjene bösen Ausserirdischen zu bekämpfen.

 

Soweit der Plot des über 300 Seiten starken ersten von fünf Bänden der Werkausgabe der vom Schotten Grant Morrison inszenierten Serie, die im Original zwischen 1994 und 2000 erschienen ist. Irgendwie trashig, irgendwie innovativ – doch leider irgendwie recht konventionell gezeichnet, wie man anmerken muss. Wer eine neue Herausforderung nach dem Abgrasen wichtiger Serien wie «Preacher» oder «Sandman» sucht und den Einstieg findet, wird mit «Invisibles» (Panini, zirka 50 Franken) bestimmt glücklich werden. (scd)

Die Sache mit Sorge

Spionen-Schicksal

Kaum ein Spion des 20. Jahrhunderts ist ähnlich geheimnis- und legendenumwittert wie der historisch verbürgte Richard Sorge, Stalins Agent an der deutschen Botschaft in Tokio. 1941 sagte er den Angriff der Deutschen auf die Sowjetunion voraus, doch seine Warnungen wurden ignoriert. Die deutsche Künstlerin Isabel Kreitz hat aus dem Stoff ein anspruchsvolles und gleichzeitig kurzweilig zu lesendes, 250-seitiges Werk gesponnen, welches Sorges steinigen Lebensweg nachzeichnet, auf den nach seiner Entlarvung die Hinrichtung wartete. Dies nach der mehrmals angebotenen Auslieferung – und der jeweils darauf folgenden immergleichen Antwort der russischen Botschaft in Tokio: «Der Name Richard Sorge ist uns unbekannt.»

 

Die detailreichen und stimmungsvollen Bleistiftzeichnungen des gebundenen Werks «Die Sache mit Sorge» (Carlsen, 36 Franken) laden zum längeren Betrachten ein – und weisen Kreitz («Die Entdeckung der Currywurst») als eine der talentiertesten Zeichnerinnen Deutschlands aus. Dasselbe gilt für ihr Können als Autorin – sehr gut gefallen die Storyeinschübe, in denen sich heute noch lebende (authentische oder fiktive?) Zeitzeugen an das damals Geschehene erinnern und dieses kommentieren. Abgerundet wird der positive Eindruck durch ein lesenwertes Nachwort. (scd)

Alive

Todeszellen-Experiment

Hinrichtung oder Teilnahme an einem Experiment. Vor diese Wahl wird der 29-jährige Todeskandidat Tenshu Yashiro in «Alive» (Carlsen, zirka 16 Franken) gestellt. Er entscheidet sich für Letzteres und bereut es kurz darauf, da er mit einem Mörder in einen isolierten Raum gesperrt wird. Schliesslich offenbart sich der Zweck des Experiments: Der Stärkere soll der Träger eines bösartigen Virus werden, der übernatürliche Kräfte verleiht und so dem Militär von Nutzen sein kann. Die Geschichte von Tsutomu Takahashi war in Japan sehr erfolgreich und wurde 2002 von Regisseur Ryuhei Kitamura («Azumi») verfilmt. Seit November ist er auch in Europa auf DVD erhältlich.

 

Der Comic entspricht dem konventionellen schwarz-weissen Manga-Stil mit dynamischen Panels und typischem Charakterdesign. Die Gestaltung überzeugt und fällt durch die ungewöhnlichen Metapher-Panels, welche die Gedanken der Gefangenen zeigen, positiv auf. Aber die Handlung, die zwar viel versprechende Ansätze aufweist, stellt sich als überambitioniert heraus. Die Geschichte um Yashiros Vergangenheit, die Herkunft des Virus’ und die psychischen Abgründe der Gefängnissituation werden alle nur angedeutet, nehmen dann aber doch zu viel Platz ein um die Charaktere richtig vorzustellen. Diese werden dadurch schemenhaft und leider auch austauschbar. Weniger wäre hier mehr gewesen. (ras)

Point Black

Superhelden-Rätselraten

Nach einem Hinrichtungsschuss aus nächster Nähe (dem titelgebenden, so genannten «Point Blank») liegt Meisterspion John Lynch komatös in einer dunklen Gasse. Antiheld Cole Cash macht sich auf, den Schützen zu finden – und gerät zunehmend in ein Netz von Lügen und Intrigen. Nach Alan Moores «Rückkehr nach Khera» erscheint mit dem von Ed Brubaker geschriebenen Prequel zur Serie «Sleeper» ein weiterer Baustein zum WildC.A.T.S.-Superheldenuniversum auf Deutsch. Diesem war hier zu Lande bislang eher ein Schattendasein beschieden.

 

Der vorliegende Band kann mit seiner Serie-Noir-Mechanik als exemplarischer Vertreter des postmodern erneuerten Genres, in dem ehemals starr gesetzten «gut»/«böse»-Kategorien zunehmend verwischen, betrachtet werden. Wer «Sin City» mag, sollte das von Colin Wilson etwas gar routiniert gezeichnete «Point Blank» (Cross Cult, zirka 35 Franken) auf jeden Fall anlesen. Gut möglich aber, dass die Lektüre der beinahe superheldenkräftefreien Story – wie bereits bei Moores Beitrag – den schalen Nachgeschmack zurücklässt, nicht ganz alles oder vielmehr ganz vieles nicht ganz verstanden zu haben. Für den Nachfolgeband bleibt der Wunsch eine klärenden Nachworts. (scd)

Bar Miki

Apokalypse-Gekritzel

Das Comix-Festival Fumetto in Luzern ist zu Ende – und zurück bleiben eine Menge interessanter, mehr oder minder mehrheitsfähiger Comics. Unter anderem «Bar Miki» (Edition Moderne, zirka 9 Franken) des Italieners Michelangelo Setola, das in der Reihe des Förderinstruments «Erstpublikationen» erschienen ist. Erzählt wird im dünnen Büchlein die Geschichte eines Stahlarbeiters, der nach einem Ausweg sucht, um seinen äusserlich bärenähnlich zur Welt gekommenen Sohn behalten zu dürfen – und ihn schliesslich auch durch eine absurde Fügung des Schicksals wenigstens vordergründig findet.

 

Der Plot scheint dabei jedoch ohnehin eher sekundär. Was in Erinnerung bleibt, ist die sehr spezielle Art von Endzeitstimmung, heraufbeschworen durch die geradezu dilettantische Kritzelgrafik und die teilnahmslose, beinahe dokumentarische Art des Erzählens. Setola: Ein Autor, den es im Auge zu behalten gilt. (scd)

Lucky Luke Gesamtausgabe: 2003-2006

Western-Balladen

Gerade eben erschienen ist mit «Lucky Luke: 2003-2006» (Ehapa, zirka 45 Franken) der vorerst letzte Band der Gesamtausgabe um den einsamen Cowboy, der schneller als sein Schatten schiesst, erschienen. Die Kompilation umfasst die Bände «Schikane in Quebec», «Die Daltons in der Schlinge» sowie die beiden kürzeren Storys «Der französische Koch» und «Stille Nacht, Rantanplan wacht».

 

Wiederum wissen die Hardcover-Ausstattung, der gute, nicht zu langatmige Kommentarteil sowie das Handlettering zu überzeugen. Angesichts des bei Langzeitserien allgemein diagnostizierten Wertezerfalls («Lustige Taschenbücher», «Asterix», «Spirou») muss man den neuen «Lucky Luke»-Machern Achdé und Gerra ein Kränzchen winden: Sowohl formal wie auch inhaltlich schaffen sie es, sehr nah an der Qualität der originalen Geschichten von Morris zu bleiben. Geboten wird nichts Neues, dafür solider Lesestoff für junge und alte Generationen. (scd)

 

Überblick aller «Lucky Luke»-Gesamtausgaben »

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