Jenseits

Im Wald, da liegt ein Mädchen, ganz still und stumm

Es hätte alles so schön sein können: Prinz und Prinzessin. Tête-à-tête beim gemeinsamen Kakao-Genuss – Harmonie und Schmetterlinge im Bauch. Doch mit einem Mal beginnt sich über den beiden Turteltauben die Decke in ihre Bestandteile aufzulösen, aus dem lauschigen Imbiss-Plätzchen wird etwas Ekel Erregendes, Unheimliches, Unheil Verheissendes, Lebensbedrohliches. Nach der Flucht und dem Übergang in eine ganzseitige Totale wird klar, dass die liebenswert cartoonartig dargestellte, etwa einen Finger grosse Prinzessin und ihr ebenso winziger Hofstaat dem Kopf einer im Wald vermodernden Kinderleiche entstiegen sind.

 

Soweit der Inhalt der ersten vier Seiten von «Jenseits» (Reprodukt, zirka 32 Franken) von Szenarist Fabien Vehlmann und dem Zeichnerduo Zeichnerduo Kerascoët, bestehend aus Marie Pommepuy und Sébastien Cosset. Es handelt sich salopp gesagt um eine Art Version der «Minimenschen», die jedoch der Freud'schen Logik des Traums folgt. Damit ist auch klar, dass die Irritation – hervorgerufen auch durch den Kontrast zwischen dem stark stilisiertem Zeichenstil der Charaktere und realistischer Grafik, der Vermengung von fantastischem und wirklichkeitsnahem Szenario – nach diesem unvermittelten Anfang keineswegs zu Ende ist. Alles wendet sich im Verlauf der an keiner Stelle vorhersehbaren Geschichte nur noch zum Schlimmeren. – Wer «Jenseits» aufgeschlagen hat, ruht garantiert nicht eher, bis er den 92-seitigen Band ausgelesen hat. Eine höchst faszinierende, beunruhigende und nur vordergründig niedliche Graphic Novel, die als Parabel für das Scheitern des Projekts Mensch und alles Humanitären gelesen werden könnte einen mit vielen offenen Fragen zurücklässt. Unbestritten einer der Höhepunkte des Comicjahres. (scd)

 

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Y – The Last Man

Ohne Männer keine Zivilisation

Was wie ein weiterer herkömmlicher Tag erscheint, verwandelt sich innerhalb kürzester Zeit zur grössten Tragödie der Menschheit. Innerhalb weniger Augenblicke sterben aus ungeklärten Gründen alle männlichen Säugetiere auf der Erde. Doch was nach dem Ende der Männer folgt, ist keineswegs harmonischer Frieden, wie viele annehmen würden, sondern das Ende der Zivilisation, wie wir sie kennen. Denn zwar gehört mit dem Verschwinden der Männer die Mehrheit der Gewaltstraftäter, aber auch ein Grossteil der Politiker, Piloten und Wissenschaftler der Geschichte an. Doch die überlebenden Frauen begreifen allmählich, dass ohne Männer der gesamten Menschheit innert einigen Jahrzehnten das Ende droht.

 

In diesem Szenario spielt die Comic-Reihe «Y – The Last Man» deren zehnter und letzter Band «Warum und weshalb» (Panini, zirka 30 Franken) nun auf Deutsch erschienen ist. Weiterlesen im Schwerpunkt »

Tim & Co.

Wenn Tim mit Onassis die Klinge kreuzt

Einen tiefen Einblick in den Figurenkosmos von Hergés «Tim und Struppi» gewährt Michael Farrs «Tim & Co.» (Carlsen, zirka 45 Franken). Das grossformatige, reich bebilderte Werk stellt in informativen, gut lesbaren Essays Tim, Struppi, Kapitän Haddock, Professor Bienlein, die Schulz(t)es und weitere Charaktere aus den insgesamt 24 Bänden um den quirligen Reporter, Detektiv und Abenteurer vor, wobei natürlich auch seinen wichtigsten Gegenspieler – etwa General Alcazar oder Dr. Müller – nicht zu kurz kommen.

 

Im Gegensatz zu ähnlichen Unterfangen – etwa der an sich sehr empfehlenswerten «Marvel Enzyklopädie» – belässt es Farr nicht dabei, die Figuren in all ihren Faceten auf der Ebene der Erzählung zu beleuchten, sondern vollzieht deren Entstehungsgeschichte anhand von Quellen aus Hergés zum Glück so gut überlieferten Archiv nach. So erfährt man etwa, dass Auguste Piccard als Vorlage für Bienlein diente und der Erzschurke Rastapopoulus nach dem realen Vorbild des schwerreichen Aristoteles Onassis gestaltet wurde. Ausserordentlich interessant sind auch die Ausführungen zur Figur Tschang, Hergés gleichnamigem Freund nachempfunden. Ein Stück Sekundärliteratur mit Vorzeigecharakter – die perfekte Ergänzung zu «Auf den Spuren von Tim und Struppi» vom selben Autor.

Als achter Band der Faksimile-Reihe liegt zudem nun auch «Die Krabbe mit den goldenen Scheren» (zirka 33 Franken) vor. Hier betritt Kapitän Haddock (bekannt für Aussprüche wie «100'000 Höllenhunde!») erstmals – noch als linkischer Säufer – die Bildfläche, schon bald zum unersetzlichen Sidekick von Tim avancierend. Im Vergleich zur zeitnah erschienenen Schwarz-weiss-Ausgabe wurde die erste Farbversion um ganze 42 Seiten gekürzt. Inhaltlich hat sich aber zum heutigen Album nur wenig geändert: An zwei Stellen wurden dunkelhäutige verbrecherische Handlanger durch Weisse ersetzt, und Haddock durfte nicht mehr dabei gezeigt werden, wie er eine ganze Flasche Hochprozentiges innert wenigen aufeinander folgenden Panels vollständig leert.

 

Damit endlich jedermann in der Lage ist,  alle drei Versionen der «Tim und Struppi»-Bände miteinander zu vergleichen, drängt sich mit aller Macht erneut das Desiderat auf, dass Carlsen doch endlich auch die längst vergriffenen und nur noch für ein kleines Vermögen antiquarisch erstehbaren Schwarz-weiss-Fassungen wieder neu auflegen möge. (scd)

 

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Vier Augen

Der Geist aus der LSD-Pille

Ein junger Mann namens Sascha geht mit seinem Hund in den Wald, um ihm eine, seine Geschichte zu erzählen. Bereits nach wenigen Panels zeigt sich, dass die Langohr-Promenadenmischung mit dem schwarzen, augenlosen Gesicht sprechen kann. Doch diesem ist gegen Schluss des Bandes ohnehin vor allem die Rolle des Zuhörers zugedacht. Denn jetzt ist Sascha mit dem Erzählen dran: Von seiner Liebe und sexuellen Erfahrung mit einem magersüchtigen Mädchen, von seiner Drogenabhängigkeit, die über die Jahre seiner Zeit als Jugendlicher und junger Mann immer mehr von ihm Besitz genommen hat.

 

«Vier Augen» (Reprodukt, zirka 24 Franken) von Sascha Hommer (zuletzt nicht ganz überzeugend mit «Im Museum», dafür umso mehr mit seinem Debüt «Insekt») ist ein bemerkenswert tiefgründiges Werk über das Erwachsenwerden im Allgemeinen und den Teufelskreis der Sucht im Besonderen. Es handelt sich um ein einfühlsames und in schlichter Grautongrafik angemessen unspektakulär umgesetztes Porträt eines Jünglings – eine autobiografische Deutung drängt sich aufgrund derselben Namensgebung des Protagonisten und des Autors auf – auf der Suche nach dem für ihn richtigen Weg (und so auch von der Aufmachung her durchaus etwa an Chester Browns «Fuck» erinnert). Am Mut machenden Ende schliesst sich der Kreis mit einer grossartigen Metapher höchst stimmig. (scd)

 

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Drüben!

Das Kleine im übergeordneten Grossen

West-Berlin, 1987: «Wir legen keinen Wert auf Kontakt.» Dieser kurze Vermerk liegt dem von den Grosseltern väterlicherseits retournierten Brief der Eltern des kleinen Simons bei. Wie ist es dazu gekommen? Das politische Klima in der DDR nicht mehr aushaltend, sind Simons Eltern von Erfurt nach einem zermürbenden Verfahren in die BRD «abgehauen» – ein Bruch nicht nur mit dem politischen System, sondern auch mit einem Teil der Freunde und Verwandten.

 

In nüchterner, halbstilisierter Grafik erzählt der heute 27-jährige Simon Schwartz in «Drüben!» (Avant, zirka 27 Franken) seine ganz persönliche DDR/Mauerfall-Geschichte, wie er sie als Kind erlebt hat. Ein in seiner subjektiven, schlichten Erzählweise wertvolles Zeitdokument. (scd)

 

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Auf der Suche nach dem Einhorn

Spätmittelalterliche Odyssee ins Verderben

Wir schreiben das Jahr 1471: Mit einer Handvoll Armbrustschützen und einer (scheinbaren) reinen Maid verlässt Juan de Olid im Geheimen Kastilien und macht sich auf den Weg in die unbekannten Länder Ostafrikas. Seine Expedition hat nur ein Ziel: die Beschaffung eines Einhorns. Denn davon – so sind sich die damaligen Gelehrten sicher – hängt die Zukunft des herrschenden Geschlechts und damit auch des gesamten Königreichs ab, wird dem Horn des legendären Tiers eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt. Die Reise ins Ungewisse geht tragisch aus...

 

Das an ein Herz-Schmerz-Melodram gemahnende Cover und ein knappes Durchblättern dieses auf den ersten Blick auch aufgrund seines naturalistischen Stils scheinbar klassischen Geschichtsromans in Bildern mag bei vielen Lesern Anlass zur Skepsis geben und auf Ablehnung stossen. Es lohnt sich jedoch, sämtliche Vorurteile und Bedenken über Bord zu werfen und «Auf der Suche nach dem Einhorn» (Ehapa, zirka 66 Franken) des spanischen Duos Emilio Ruiz und Ana Mirallès (nach dem gleichnamigen Roman von Juan Eslava Galan) eine echte Chance zu geben. In farbenprächtiger, detaillierter und auf profunden Recherchen der damaligen Begebenheiten fussender Grafik wird auf 150 Seiten die Geschichte einer Verblendung einer ganzen Epoche erzählt, die durchaus exemplarisch verstanden werden darf. Vor dem Hintergrund des heutigen Wissens der Nichtexistenz von Einhörnern erscheint die Erzählung der unmöglichen Mission des Juan de Olid in neuem Licht. Der Blick wird frei (auf der Ebene des Erzählten, jedoch auch kritisch auf die Graphic Novel bzw. deren Vorlage) auf Themenkomplexe wie etwa Kirche und Aberglaube, eigen und fremd, «zivilisiert» und «unzivilisiert», das Verhältnis von Mann und Frau, die Grenzen und Möglichkeiten des spätmittelalterlichen Weltbildes und das scheinbare Unvermögen des Menschen, über die Jahrhunderte sein Unvermögen abzulegen, gewaltfrei Konflikte auszuüben. Unvergessen bleiben dürfte die Szene, in der de Olid nach unzähligen Mühen und Rückschlägen endlich einem «Nashorn» gegenübersteht. Es handelt sich übrigens um eine deutsche Erstveröffentlichung – die Originalausgabe ist vor rund zehn Jahren erschienen. (scd)

Ich, Donald Duck

Der ewige Schwerenöter – extralarge

Mit «Ich, Donald Duck» (Ehapa, zirka 50 Franken) kommt – rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft – eine weitere Komilation mit Comics aus dem schier unerschöpflichen Oeuvre des beliebten Erpels auf den Markt. Mit einem lesenswerten Vorwort und Einführungstexten von Comic-Szenarist und -Forscher David Gerstein ausgestattet, enthält der Band zwölf Geschichten aus verschiedenen Jahrzehnten rund um den sympathischen Pechvogel, wobei Strips etwa von Carl Barks und Romano Scarpa natürlich nicht fehlen dürfen. (Was man hingegen leider vermisst, sind die Daten der jeweiligen Erstveröffentlichung.)

 

Die ungemeine Attraktivität von «Ich, Donald Duck» – die Repräsentativität des Materials darf wie immer bei solchen Projekten, etwa «75 Jahre Donald Duck Superstar», bestritten werden, ich persönlich hätte mir mehr wirklich klassische Storys gewünscht – beruht vor allem auf der Präsentation in Übergrösse (im Pressejargon nennt sich das gemäss der Verlagssite grossmundig «Coffeetablebook») und der edlen Hardcover-Aufmachung, und dies bei einem durchaus vertretbaren Preis für 190 Seiten. Solche Argumente dürften nicht nur das Herz von Donaldisten zum höher Schlagen bringen. (scd)

«All in One»-Bände

Dicke Lektüre – aber wie nachhaltig?

Unter dem Label «All in One», zu dem auch «Die Suche nach dem Einhorn» (siehe oben) gehört, erscheinen bei Ehapa vormals in mehreren Bänden publizierte Storylines in gesammelter Form. Vor dem Hintergrund, dass die Leserschaft keine Zwangspausen auf sich nehmen muss, bis die Folgebände einer Miniserie publiziert werden, könnte dieses Konzept durchaus Erfolg haben. Wenn da nur nicht die relativ hohe Preislage wäre, die hierzulande eher unbekannten Autoren sowie die häufig totale Absenz jedwelchen Zusatzmaterial, das wenigenstens eine gewisse Einordnung der Werke zuliesse!

 

Allen drei hier vorgestellten Bänden ist die franko-belgische Autorschaft gemeinsam – und bei allen wird dem Formalen eine eher untergeordnete Rolle zugestanden: Die Seitenstruktur kommt fix daher und wird kaum durchbrochen, die naturalistische Grafik mit einem Schuss Stilisierung kommt grundsolid, jedoch ohne Höhepunkte daher und wirkt eintönig. Der Fokus liegt ganz klar auf dem Erzählen einer Geschichte – dass dazu als Vehikel das Medium Comic ausgewählt wurde, scheint eher Zufall. Zudem muss man stets auf etwaige entblösste Brüsste und Gewaltszenen gefasst sein. Alles im Rahmen des Konventionellen natürlich.

 

Am meisten Potenzial dürfte bestimmt «Die schwarze Trilogie» (zirka 66 Franken) von Youssef Daoudi und Philippe Bonifay zu bescheinigen sein. Der Band enthält die für sich allein stehenden Storys «Das Leben ist zum Kotzen», «Die Sonne scheint nicht für uns» und «Angst im Bauch» – alles Adaptionen von Romanen des vor allem durch seine Krimifigur Nestor Burma bekannten Léo Mallet, der Jaques Tardi regelmässig Tribut zollt. Überall stehen gescheiterte Existenzen im Vordergrund, die sich im Verlaufe der Erzählungen immer tiefer in die Misere reiten, bis es am Schluss zur Katastrophe kommt. Ein hintergründiges Lesevergnügen.

Die eingangs postulierte Hintenanstellung des Grafischen muss jedoch keineswegs a priori schlecht sein, wie sich etwa an «Hell's Kitchen» (ebenfalls zirka 66 Franken) von Damien Marie und Karl T. zeigt. Im New York zur Zeit der Prohibition möchte der 13-jährige Bäckerssohn Anthony im Grunde nur eines: Seiner Anna nahe sein. Doch als seine Familie im Zuge eines Bandenkrieges umkommt, muss sich der Bäckerssohn für eine Seite entscheiden. Obgleich vom Plot her kaum progressiv und mit seinen unmotivierten «sauberen» Nackte-Haut-Einschüben nervend, dürfte «Hell's Kitchen» wohl unter «Der Pate»-Anhängern eine dankbare Abnehmerschaft beschieden sein.

Etwas schwieriger dürfte es «Tanatos – Der Sohn des Todes» (zirka 50 Franken) von Didier Convard und Jean-Yves Delitte haben. Es handelt sich dabei um eine zur Zeit des Ersten Weltkriegs angesiedelte Megalomanie-Mär um einen so genial wie skrupellosen vollmaskierten Unhold, der die Parteien gegeneinander ausspielt, immer nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Der zweite Sammelband der Serie ist auf März 2010 anberaumt. (scd)

 

Die «All in One»-Erscheinungen im Überblick »

Der kleine Prinz

Ein Seelenverwandter hat zum Stift gegriffen

Den einen ist «Der kleine Prinz» von Antoine de Saint-Exupéry als reines Kinderbuch mit seinen liebswert krakeligen Zeichnungen in Erinnerung geblieben, andere sind erst im Zug des Französischunterrichts als (vom Vokabular her wenigstens nicht allzu anspruchsvolle) Muss-Lektüre damit in Kontakt gekommen – entsprechend ambivalent ist das heutige Verhältnis zu diesem Büchlein von 1943 gegenüber. Schliesslich gibt es noch dienigen, die bis ins Erwachsenenleben hinein den tieferen Sinn dieses Werks propagieren: «On ne voit bien qu'avec le cœur.» («Man sieht nur mit dem Herzen gut.»)

 

Durch bestimmte Reihen Letzterer dürfte bei der Ankündigung, dass der Kleine Prinz nun eine Wiederauferstehung in Comicform erlebt, ein zumindest innerer Aufschrei gegangen sein – bereits bestehende Hörspiele, Opern und Filme zum Trotz. Doch das Ganze dürfte sich rasch in Wohlgefallen auflösen, zeichnet sich doch für die Adaption der vor allem durch «Donjon» bekannte Franzose Joann Sfarr verantwortlich. Und dieser hat penibel darauf geachtet, die Vorlage möglichst behutsam und werktreu umzusetzen. Entstanden ist ein würdiges Beiwerk, dem durch den sfar-charakteristischen skizzenartigen Stil – der beinahe als homogene Weiterentwicklung desjenigen von de Saint-Exupéry betrachtet werden könnte – viel Sympathie beschieden sein wird. (scd)

The Punisher: War Zone – Die Auferstehung von Ma Gnucci

Manchmal kommen sie wieder

Ma Gnucci, die ehemalige Intimfeindin von Frank Castle alias The Punisher ist zurück! Und dies, obgleich der Vigilant doch in einer Story aus dem Jahr 2001 eigenhändig dafür gesorgt hatte, dass die Mafiosa bei lebendigem Leib verbrannt ist. Doch jetzt scheint die Gliederlose (auch wegen Castles respektive von durch ihn frei gelassene Eisbären) zurück zu sein – verbitterter denn je. Mit von der Partie: Der Sohn des selbst ernannten Säuberers der Strasse, Elite, der ebenfalls durch Castle das Zeitliche gesegnet hat. Dieser sinnt ebenfalls auf Rache.

 

Was kann man zu «The Punisher: War Zone – Die Auferstehung von Ma Gnucci» (Panini, zirka 29 Franken) schon gross sagen? Garth Ennis und Steve Dillon («Preacher») in Reinkultur eben: Ein zynischer Antiheld im Mittelpunkt, der mächtig einstecken muss, umgeben von schrägen Charakteren, flotte Sprüche à gogo, eine Prise Fäkalhumor – und literweise herumspritzendes Blut. Wer auf dieses Setting abfährt, wird voll bedient. (scd)

Batman: Mitternacht in Gotham 2

Fortsetzung der Geisterstunde

Während das umstrittene Artwork von Kelley Jones im zweiten und letzten Band der Batman-Story «Mitternacht in Gotham» (DC Premium 62, Panini, zirka 25 Franken) in gewohnter Weise seine Fortführung findet (siehe die Rezension zu Band 1), gewinnt die Story (Steve Niles) in der zweiten Hälfte des zwölfteiligen Abenteuers wieder an Spannung. Midnight ist immer noch nicht gefasst und auf der Liste seiner Opfer werden die ersten Polizisten aufgeführt. Dabei scheint es so, dass Batmans gruseliger Widersacher dem dunklen Ritter immer einen tödlichen Schritt voraus ist. Midnights Sammlung gestohlener Herzen wächst und das Herz des verliebten Bruce Wayne wird ein weiteres Mal gebrochen.

 

Wenn der Erzähler zum Schluss dem Leser rät, nach der düstern Geschichte ein wenig Sonnenlicht zu tanken, dann ist bereits klar, dass Gotham nach Mitternacht/Midnight zugleich Gotham vor Mitternacht/Midnight bedeutet. (sam)

Exterminators 2: Aufstand der Schaben

Fliegenklatsche die Zweite

Neueinsteiger lernen zu Beginn des zweiten Bandes von «Exterminators» (Panini, zirka, 28 Franken) in der «Fliegenklatsche», einem fiktiven Fachmagazin für Schädlingsbekämpfung, die schrägen Charaktere kennen, die den Leser an noch schrägere Orte führen werden. Das Geschehen dreht sich hauptsächlich um Ex-Sträfling Henry James, der als Kammerjäger in der Firma seines Stiefvaters versucht, sein Leben wieder auf die Reihe zu kriegen. Mit seinen Arbeitskollegen, dem buddhistischen Cowboy Stretch und Kevin, in Insiderkreisen auch als El Muerte Negra (der schwarze Tod) bekannt, befreien sie LA von alltäglichem Ungeziefer. Zum Leidwesen von Henry trifft er nicht auf harmlose Küchenschaben, sondern auf ein Ungeziefervolk, das von einer mutierten, überintelligenten Schabe angeführt wird. Nicht nur im Beruf muss Henry einiges einstecken. Auch privat bahnen sich mit dem Scheitern der Beziehung mit seiner bisexuellen Freundin Laura magere Zeiten an. Zu seinem Glück krabbelt neben einer gut organisierten Schabenarmee auch die verführerische Ägyptologin Page in sein Leben – sie jobbt nebenbei in einem literarischen Bordell.

 

Der Gruselfaktor ist gegenüber dem ersten Band zwar nicht mehr ganz so hoch, doch dies fällt keineswegs ins Gewicht. Die Geschichte rund um die Bug-Bee-Gone-Angestellten bietet mehr als kurzfristigen Ekel. Simon Oliver (Autor) und Tony Moore (Zeichnungen, unter anderem «The Walking Dead 1: Gute alte Zeit», «The Punisher» ) wecken auch in «Aufstand der Schaben» mit einer gelungen Mischung aus Love- und Horrorstory, abgedrehten Charakteren, schwarzem Humor und gezielter Leserinformationsfütterung nicht nur beim Antispeziesisten Sympathien. Aufgrund der vulgären Sprache und der Prise Erotik ist der Comic eher Erwachsenen zu empfehlen. (sam)

Die Waffen des Meta-Barons

Zen-Ballerorgie in den unendlichen Weiten

Praxis – «die Klinge, die eine Seele besitzt» – und das im Omnigral auf ewig gefangene transzerebrale Auge: Durch diese Ingredienzien wird der Meta-Baron zum unbesiegbaren Krieger. Doch wie kam der «warharftig Unberechenbarste von allen» zu diesen mächtigen und tödlichen Waffen?

 

Genau dieser elementaren genealogischen Frage geht Alexandro Jodorowsy (eines seiner neueren Werke ist etwa «Juan Solo») im One-Shot «Die Waffen des Meta-Barons» (Splitter, zirka 27 Franken) nach. Entstanden ist ein bildgewaltiges Epos, ausgeführt von Zoran Janjetow, mit dem Jodorowsky bereits bei der wegwesenden SciFi-Opera «John Difool» zusammengearbeitet hat, und Nebenzeichner Travis Charest, der mit seinem fotorealistischen Stil ganz im Stile eines Richard Corben brilliert. Trotzdem bleibt ein ambivalentes Gefühl zurück: Die Story kommt nämlich recht platt daher, eine opulente Actionszene ganz im Stile von Weltraum-Shootern nach der anderen aus dem Köcher zaubernd. Dazu kommt die gewöhnungsbedürftige New-Age-Stimmung und die ungeheure Ernsthaftigkeit des Ganzen. So oder so essenziell für die grosse Meta-Baron-Fangemeinde – Einsteiger sollten zunächst wohl besser einmal den ersten Band von «Die Kaste der Meta-Barone» antesten. (scd)

 

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The Goon 3: Meine mörderische Kindheit

Tanzen auf dem Grab allerlei sympathischer Zeitgenossen

Menschenfressende Landstreicher, wahnsinnige Wissenschaftler, deformierte Grabräuber, übergeschnappte Zombiepriester, Monsterspinnen und ein brennender Orang-Utan – ein ziemlich typischer Tag im Leben des Goon. Auch im dritten Band von Eric Powells Geldeintreiber-Saga werden kräftig Backpfeifen verteilt, Kniescheiben gebrochen und Augen ausgestochen, dass es eine wahre Freude ist. Diesmal gibt's jedoch auch einige wenig nostalgische Einblicke in die harte Kindheit des liebenswerten Totschlägers. Wie lernten sich der Goon und seine messerschwingender Kumpel Franky kennen? Wie kam der Goon zu Labrazios schwarzem Büchlein? Und wieso brennt der Orang-Utan? Antworten gibts in: «The Goon 3: Meine mörderische Kindheit» (Cross Cult, zirka 33 Franken). Ein absoluter Pflichtkauf. (Ismir Osman)

 

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Star Trek: Spiegelbilder

Wenn das Wörtchen wenn wäre...

Das zwar wohlbekannte, aber immer wieder gerne angewandte Szenario der Paralleluniversen – der Ausweg, wenn alle Se- und Prequel-Möglichkeiten ausgeschöpft sind – kommt in «Star Trek: Spiegelbilder» (Cross Cult, zirka 26 Franken) von Scott und David Tipton und David Messina zum Tragen. In einer der beiden Storys kommandiert ein böser James T. Kirk die Enterprise, in der anderen darf Jean-Luc Picard seine dunkle Seite zeigen. Dabei kommt sogar der Versuch einer unschuldigen Prise extraterrestrischer Erotik ins Spiel. Erzähltechnisch solid, grafisch Mittelmass – interessant eigentlich nur für eingeschworene Trekkies. (scd)

 

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Asterix und Obelix 34: ... feiern Geburtstag

Unheilige Totenmesse zum Jubiläum

Einmal im Ernst: Welches ist das letzte gute «Asterix und Obelix»-Heft? Vielleicht «Asterix im Morgenland» (1987) oder möglicherweise gar bereits «Der grosse Graben» (1980)? 50 Jahre sind seit dem grafisch nach heutigen Massstäben nicht mehr wirklich zufrieden stellenden Auftakt «Asterix der Gallier» vergangen, das Oeuvre um den pfiffigen Gallier und seinen hünenhaften Sidekick ist inzwischen auf 33 Bände angewachsen. Das muss gefeiert werden, dachte sich die Comicindustrie. Aber wie? Schliesslich lebt Autor René Goscinny, der eine Teil des Duos hinter der französischen Erfolgsserie, seit 1977 nicht mehr. Und wie gesagt, hat sich Albert Uderzo als Zeichner und Autor nicht wirklich bewährt – vor allem, was die jüngsten Erzeugnisse anbelangt. Mit «Gallien in Gefahr», wo Ausserirdische (!) ins Spiel kommen, schien die Talsohle endgültig erreicht zu sein.

 

Weit gefehlt: Der Jubiläumsband «Asterix & Obelix feiern Geburtstag. Das goldene Buch» (Ehapa, zirka 11 Franken) beweist eindrücklich, dass es noch schlechter geht. – Wie konnte es so weit kommen? Mit dem Historiker Michel Foucault könnte man postulieren, dass der Ariadnefaden bei «Asterix» im Jahr 1991 (oder möglicherweise schon früher) gerissen ist. Statt weiterhin vorzüglich realisierte Unterhaltung im traditionellen Rahmen zu bieten (oder aber die Serie zu beerdigen), fand mit «Asterix und Maestria», wo der Feminismus in die Serie Einzug hält, ein nicht rückgängig zu machender postmoderner Schnitt statt, der irreparablen Schaden angerichtet hat. Das Setting kann nicht mehr ernst genommen werden, und selbst die Figuren nehmen sich seit diesem unheilvollen Einbruch der extradiegetischen Realität in die Mechanik der Erzählung nicht mehr ernst. So auch bei der Story «Asterix & Obelix feiern Geburtstag», die im Jahr 1 nach Christus, also 50 Jahre nach dem sonst üblichen Erzählfenster, einsetzt: Die beiden Protagonisten sind alt, senil und schwermütig geworden. Nachdem das Comic-Alter-Ego von Uderzo (!) verdroschen wurde, ist dieser Faux-pas zwar behoben, doch bereits kurz danach, als die Dorfbewohner ein neues Outfit für Obelix erküren und ihn kurzerhand zum Rapper mit der Spraydose in der Hand machen, zeigt sich, dass die Totenglocke für «Asterix und Obelix», so wie man die Serie kannte, eigentlich schon längstens geläutet hat. Was folgt, ist eine müde Mischung aus Versatzstücken früherer Abenteuer, unterbrochen von der Darstellung bekannter Kunstwerken im «Asterix und Obelix»-Stil, wie man es etwa von Disney her («Kunst aus Enthenhausen») zur Genüge kennt. Fazit: Ein unnötiger und ärgerlich machender Band, bei dem selbst eingefleischte Sammler unbedingt Mut zur Lücke beweisen sollten. (scd)

 

Alle Bände der Serie im Überblick »

Splitter

Ausserdem neu in den Comicregalen

«Beinahe reich» (Reprodukt, zirka 30 Franken): Das ist Etienne, der im Lotto die sechs Richtigen getippt hat. Doch der geschasste Privatdetektiv macht es sich wirklich nicht einfach, glücklich oder aber wenigstens wohlhabend zu werden. Und da wäre ja noch seine verflossene Liebe, die ihn nicht loslassen will. Das durch «Monsieur Jean» bekannte Duo Philippe Dupuy und Charles Berberian liefert ein locker-flockiges Geschichtchen ab. Von der Übungsanlage her nett, aber irgendwie auch belanglos und brutal rasch vergessen. (scd)

 

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«Ohne Worte – Reden ist silber, Schweigen ist Peanuts» (Carlsen, zirka 28 Franken) heisst der neueste Band aus dem riesigen «Peanuts»-Oeuvre von Charles M. Schulz. Dementsprechend kommen die Strips in diesem quadratischen, gebundenen Buch allesamt ohne Sprechblasen aus. Die sympatischen Einzeiler um Charlie Brown, Snoopy & Co. sind wie geschaffen als erheiternde Zwischenlektüre oder aber zum Verschenken, wobei der Preis für die Kompilation – für den Schweizer Markt – doch recht hoch angesetzt wurde. (scd)

 

Überblick über die «Peanuts»-Bände bei Carlsen »

Schau mal, was da für ein Monstrum kommt. Ui, da kommt noch ein Grösseres! Ui ui ui, und da noch eins, ein Mordsding! Aber die machen wir platt, da müssen wir starken Männer durch! Das ist so ungefähr die Logik, der die Game-Adaption «Gears of War: Am Abgrund» (Panini, zirka 29 Franken) von Joshua Ortega und Liam Sharp folgt. Logisch: Was will man aus einem Ego-Shooter auch anderes machen, bei dem das Blut Extraterrestrischer – was das fröhliche Schlachten legitimer zu machen scheint – nur so spritzt? Grafisch grundsolid, von der Story halt extrem pathetisch und komplexitätsreduziert. Irgendwie fast auch ein bisschen eine sanfte Aufforderung an alle Unter-18-Jährigen der Welt, in Kontakt mit dem indizierten Game zu kommen. (scd)

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