Adeles ungewöhnliche Abenteuer 1

Komplexes Verwirrspiel mit allerlei Monstren

Ein 136 Millionen Jahre alter Pterodactylus schlüpft aus einem in einem paläontologischen Museum aufbewahrten Ei und versetzt fortan Paris in Angst und Schrecken – und nachdem die Gefahr gebannt ist, hinterlässt ein scheinbar zum Leben erweckter assyrischer Dämon in der Seinestadt seine blutigen Spuren: Der Stoff, aus dem «Adeles ungewöhnliche Abenteuer» von Jaques Tardi geknüpft sind, scheint direkt einem billigen B-Movie zu entstammen – mit der kleinen Besonderheit, dass das Setting in die Welt kurz vor dem 1. Weltkrieg gerückt wurde und nicht (wie etwa der Gruselthriller «Das Ungeheuer von New York» von 1983) in den USA spielt.

 

Was Liebhabern der 1976 gestarteten (und noch nicht abgeschlossenen) Serie, deren erster und zweiter Band unter dem Titel «Adele und das Ungeheuer» nun vereint zum dritten Mal auf Deutsch aufgelegt werden (Edition Moderne, zirka 25 Franken) natürlich längst klar ist, offenbart sich auch Neulingen bereits nach wenigen Panels: Hier präsentiert sich das Ganze – gelinde ausgedrückt – etwas komplizierter als in den althergedienten Monsterfilmen. Oder um es mit einem Zitat des mittelmässig intelligenten Inspektors Caponi, das wie ein Kommentar auf die ganze Reihe anmutet, zu sagen: «Etwas wirr, das Ganze...» Es scheint, als habe es der ausserdem durch seine «Nestor Burma»-Adaptionen und seine (Anti-)Kriegswerke bekannte Tardi (siehe den Schwerpunkt zum Thema) geradezu darauf angelegt, mit dem überaus komplexen Plotaufbau und den zahlreichen Figuren (mit Agierenden, Beobachtern und deren Beobachtern, Falschspielern und Verrätern) zu verwirren und als diene das Mystische, Paranormale lediglich als (wenngleich selbstredend hoch exquisite) Staffage. Bei anderer Lesart sind die Höllenkreaturen aber auch als Chiffre für die zuweilen monströsen Ausgeburten der Moderne deutbar.

 

Die hohe Literarizität von «Adele» zeigt sich vor allem beim für einen Serienauftakt vom Aufbau her unglaublich mutigen ersten Band, in dem das Feld von hinten aufgerollt wird und die wahren Hergänge sich dem Leser erst am Schluss offenbaren. Interessant ist auch die Einführung respektive die Nicht-Einführung der titelgebenden Protagonistin, über die man in den ersten 94 Seiten eigentlich so gut wie gar nichts erfährt, ausser dass es sich um eine starke und intelligente Frau handelt, die für ihre Detektivromane in Halbweltkreisen recherchiert, insgesamt aber eher ominös daherkommt und schwer zu durchschauen ist. Die von Tardi eigenhändig ausgeführte Grafik überzeugt durch die vom realistisch gehaltenen Paris zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgehende Atmosphäre und die ungleich stilisierter, zuweilen beinahe karikaturistisch realisierten, oft schrulligen Figuren. 

 

Der Plot findet im noch erhältlichen dritten Band «Der Affenmensch» seine Fortführung. Insgesamt eine vorzügliche Gelegenheit, um endlich mit Tardi zu beginnen oder diesen nochmals für sich neu zu entdecken! (Dies auch vor dem Hintergrund der Verfilmung von Luc Besson, die am 15. November in den Schweizer Kinos anläuft.) (scd)

 

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Überblick der bei der Edition Moderne erschienen Tardi-Bände »

Bosnien

Gräuel im Comix-Look

Wie keimt Rassismus auf? Wann schlagen Ressentiments in rohe Gewalt um? Was lässt Menschen ihre Nachbarn, mit denen sie vormals freundschaftlichen Umgang pflegten, der anderen Ethnie wegen umbringen? Wie gehen Überlebende mit ihren traumatischen Erfahrungen um? Ist überhaupt eine Rückkehr zur Normalität oder gar ein künftiges Zusammenleben verfehdeter Bevölkerungsgruppen möglich?

 

Joe Sacco liefert mit seiner unter die Haut gehenden und zum Denken anregenden Comic-Reportage «Bosnien» (Originalausgabe 2000, Edition Moderne, zirka 36 Franken) am Beispiel des von 1992–95 heftig umkämpften Ortes Gorazde Hinweise auf Antworten auf diese beunruhigenden Fragen.

 

Der vielgelobte und zu Recht entsprechend ausgezeichnete, sowohl formal (S/W-Cartoon-Stil à la Robert Crumb) als auch inhaltlich (Erzählung in Episoden) ganz im Geist von «Palästina» desselben Autors gehaltene, 234 Seiten starke Band knüpft aus den Erfahrungsfetzen von Direktbetroffenen ein zutiefst heterogenes Patchwork-Tuch, mit dem der 1960 in Malta geborene Sacco, der wiederholt vor Ort recherchierte und teilnehmende Beobachtung betrieb, bewusst keinen Anspruch auf absolute Wahrheit oder Vollständigkeit erheben will.

 

Dementsprechend werden die in einem nationalistischen und xenophobischen Wahn begangenen Gräuel zwar nicht erklärbarer, doch eines zeigt sich glasklar und immer wieder aufs Neue: Es gibt keinen anderen Weg als konsequente Gewaltlosigkeit, uneingeschränkte Toleranzbereitschaft und den Willen zu vergeben, um ein dauerhaft friedliches Zusammenleben der Völker zu ermöglichen und auch künftig zu garantieren. Nach der Lektüre bleibt – die Schlagzeilen des internationalen Teils der heutigen, gestrigen oder vorausschauend der morgigen Ausgabe der Zeitung im Gedächtnis respektive vor dem geistigen Auge – ein laues Gefühl zurück. Letztlich scheint das Projekt Mensch gescheitert. Und das Schlimmste: Im Hamsterlaufrad der Geschichte gibt es keine Erinnerung, keine Reflexion, nur ewige Wiederholung. Die humanitäre Katastrophe findet statt. Zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort. (scd)

 

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Strapazin 100

Bildergeschichten von 8000 Kilometern weiter östlich

Liu Yan, Duoxi, Zhang Xun: Das sind nur einige der Künstler der extradicken «Strapazin»-Jubiläumsausgabe 100 (10 Franken). Diese hat sich ganz den Manhuas – Comics aus China – verschrieben. Der Clou: Gleichzeitig erscheint im «Reich der Mitte» eine Ausgabe mit einer Auswahl des Schaffens der Aushängeschilder der unabhängigen Schweizer Comicszene (hierzulande für 25 Franken erhältlich).

 

Das Gros der 14 Beiträge aus dem Dunstkreis des Indie-Magazins «Special Comix» kommt erstaunlich unpolitisch und viel weniger provokativ, als es die Coverillu vermuten lässt, daher. So oder so fasziniert die inhaltliche und formale Vielfalt der progressiven Short Comics. Gewinn bringend ist auch die Lektüre der Essays über die chinesische Comic-Landschaft. Diese ermöglichen Einblick in ein Land im Umbruch, in dem Repression zum Alltag gehört. Kurzum: Eine rundum gelungene und horizonterweiternde Jubiläumsausgabe! (scd)

Spirou & Fantasio Spezial 9: Operation Fledermaus

Tollkühner Page zeigts den bösen Nazis

Brüssel 1942: Spirou arbeitet als Stiefelputzer im Hotel Moustic, das der Gestapo als Hauptquartier dient. Was niemand ahnt: Der scheinbare Lakai der Besatzer kollaboriert mit dem Widerstand – genauso wie sein Freund, der quirlige Reporter und Erfinder Fantasio. Doch dann unterläuft dem naiven Jüngling mit der charakteristischen orangefarbenen Tolle ein folgenschwerer Fehler, der seine aufrührerischen Landsleute ins Verderben reisst. Kann er seinen Fauxpas wieder gutmachen und das Ende der freien Welt noch rechtzeitig abwenden?

 

Nazikreuze und -embleme en masse, niedergemetzelte und in ihrem Blut liegende Partisanen, in Flamen aufgehende Wehrmachtsoldaten, gefangen genommene und gebrandmarkte Nazi-Sympathisanten, unser Held in feindlicher Militär- statt der gewohnten Pagenuniform: Darf man das?, habe ich mich bei der Lektüre von «Operation Fledermaus» (Carlsen, zirka 16 Franken) von der beiden Franzosen Yann und Olivier Schwartz wiederholt gefragt. Dass populäre Comicfiguren (selbstredend mit Erfolg) gegen die Nazis antreten, mag ja seit Superman durchaus Tradition haben – aber das Setting eines normalerweise (auch) an Jugendliche adressierten Funnys im Zuge einer tolldreisten Geschichtklitterung im historisch authentischen Rahmen des besetzten Brüssels anzusiedeln, scheint mir doch ein wenig gar gewagt. Auch wenn die Boches natürlich bei jeder Gelegenheit lächerlich gemacht werden und das im Grunde natürlich hochlegitim ist, bleibt infolge der ebenfalls radikalen Verkürzung doch ein flaues Gefühl im Magen zurück. Das machen irritierende Details wie etwa der Umstand, dass sich Spirou (natürlich?!) in ein jüdisches Mädchen verliebt und eine deutsche Offizierin (natürlich blond!) die Rolle der devoten Sexbombe zugesprochen bekommt und ohne Bestrafung für die Gräuel, die sie unterstützt hat, davonkommt, auch nicht gerade besser. Da hat Emile Bravo im Quasi-Vorgänger «Porträt eines Helden als junger Tor» viel sensiblere Arbeit geleistet.

 

Einmal davon abgesehen, kann man fast nicht anders, als diesen neunten Band der «Spezial»-Reihe ins Herz zu schliessen: Superbe Retro-Grafik mit Liebe fürs Detail, flotte und intelligente Umsetzung, überbordende Einfälle. Sehr schön auch die Idee, Charaktere aus regulären «Spirou»-Alben oder Werken anderer Verteter der Belgischen Schule auftreten zu lassen. Wiederum aufschlussreich ist auch der kurzweilig aufbereitete Kommentarteil. (scd)

Roland, Ritter Ungestüm 2

Reifejahre eines verliebten Cholerikers

Im ersten Teil der schön ausgestatteten Sammelbände der Abenteuer von «Roland» zeigte sich der «Ritter Ungestüm» in spe als mittelalterlicher Donald, der bei jeder harmlosen Neckerei gleich in die Luft geht und sich mit seinem Profilierungszwang den Erwachsenen gegenüber ständig selbst im Weg steht. Trotz seiner aufbrausenden Art und seines jugendlich schwächlichen Körpers gelang es dem einstigen Knappen mit Geschick, zum Baron und Ritter aufzusteigen und Artus' Tochter zu bezirzen.

 

Im zweiten Band der Jugendserie von François Craenhals (Cross Cult, zirka 50 Franken) entflieht Roland seinen Lehenspflichten, um das Abenteuer zu suchen, das sich ihm in Gestalt von zerstrittenen Wikingern, aufständischen Iren und drei furienhaften Frauen entgegenstellt. Während Craenhals anfangs das Thema der jugendlichen Selbstfindung in die idealisierte Welt des Artushofs hinein versetzte, zeigen die folgenden Geschichten einen bewährten Ritter, dem ein alles andere als idealer König Artus allen Grund zu Zornausbrüchen gibt, weil er ihn immerfort in Frage stellt und nicht als kommenden Schwiegersohn akzeptiert. Die Abenteuer sind mit einigen Referenzen und Subtexten angereichert: Craenhals nimmt ein aufgeklärt-tolerantes Verhältnis zwischen den monotheistischen Religionen in den ritterlichen Kodex auf und lässt den Einfluss des Christentums auf heidnische Völker anklingen.

 

«Roland» ist als Erzählung von daher nicht so naiv, wie es auf den ersten Blick den Anschein haben mag, und funktioniert doch als temporeiches Mittelalterspektakel. Neben den cholerischen Ausbrüchen Rolands garantieren die psychedelischen Farb- und Formverzerrungen der Sixties zudem immer wieder unerwartet witzige Momente. François Craenhals scheint eine so ausgeprägte Schwäche für visuelle Trips gehabt zu haben, dass er seinen Roland regelmäßig in einem Delirium versinken lässt, in dem ihn dann auch mal bunte LSD-Zuckerwürfel umkreisen. Doch unabhängig von solch sympathischen Aussetzern erweist sich Craenhals durchaus als Musterschüler von Hal Foster. (wak)

 

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Little Sammy Sneeze

Riesennieser in Edelausgabe

«Little Nemo in Slumberland» (1905–1914) von Winsor McCay gehört – gewiss berechtigterweise, und keineswegs nur wegen seines Pionierstatus – zu den bekanntesten Comics der westlichen Hemisphäre. Eher in Vergessenheit geraten sind die Abenteuer von «Little Sammy Sneeze» (1904–1907) desselben Autors. Die Sonntagsstrips liegen jetzt erstmals auf Deutsch in gesammelter Form vor (Bocola, zirka 30 Franken).

 

Alle One-Pagers um den blonden Jungen, der «nie wusste, wann es passiert und es nicht stoppen konnte» (wie der Untertitel besagt), drehen sich um dessen «Talent», immer zum falschen Zeitpunkt geradezu manisch extrem kräftig loszuniessen und so seine Umwelt gehörig in Unordnung zu bringen. Vor allem bei den frühen Folgen läuft als running gag jeweils alles darauf hinaus, dass Sammy im letzten Panel wegen der – wenn auch unbeabsichtigt herbeigeführten Misere – mit einem tüchtigen Tritt in den Hintern bestraft wird. Den Rupturen wohnt zuweilen ein subversives und entlarvendes Element inne, das etwa die zelebrierte Steifheit und Formelhaftigkeit der oberen Zehntausend blosslegt und zunichte macht. Zudem zeigen Sammys Elefantennieser auch gesellschaftlich erwünschte Effekte – etwa als der stes apart gekleidet, apathisch wirkende Junge von Ganoven der Schwarzen Hand gekidnappt wird.

 

Der Charm und Witz des «Kleinen Sammy Nieser» funktioniert noch immer erstaunlich gut. Das sorgfältig aufbereitete Vorwort und die aus der «Prinz Eisenherz»-Gesamtausgabe desselben Verlags liebgewonnene griffige Papier tun das ihre zu einem guten Gesamteindruck. (scd)

 

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Deadpool 1: Kopfsprung

Kampfgewandte Riesenklappe gibt Vollgas

Allein im Dschungel mit einer so attraktiven wie abweisenden Wissenschaftlerin zur Zeit, als Dinosaurier (und – wohlgemerkt – gleichzeitig: rabiate Urmenschen) die Welt regierten. Mission: Die Sicherstellung einer Geheimwaffe, die sich als vorlauter und naturgemäss bissiger Alter-Ego-Kopf aus einem Zombie-Paralleluniversum herausstellt. Als sich dann auch noch eine weitere Partei aus dem Weltall einschaltet und dem quicklebendigen Untoten-Kopf nachjagt, ist das Chaos perfekt. Kein Problem für Deadpool, der stets einen kessen Spruch auf den Lippen hat und der seine Ninja-Waffen beherrscht wie kein Zweiter.

 

1991 zum ersten Mal im Marvelkosmos aufgetaucht, hat Deadpool in den USA rasch eine grosse Fangemeinde um sich scharen können. Ganz anders im deutschen Sprachraum, wo «Der Söldner mit der grossen Klappe» erst jetzt breite Aufmerksamkeit in Form einer Miniserie erhält (Band 1 von 2: «Kopfsprung», Panini, zirka 29 Franken). Victor Gischlers Plot kommt wunderbar selbstironisch daher und legt mit seiner Non-Stop-Action ein flottes Tempo vor. Bong Dazos Artwork kann zwar als gehobene 08/15 bezeichnet werden, doch in punkto Dynamik, speziellen Blickwinkeln und dem Einsatz von Splash-Pages für Explosionen und Massenszenen hat er den Bogen raus. Als zusätzliches Schmankerl gibt es Covergalerie mit gelungenen Persiflagen berühmt-berüchtigter Horrorfilme. Herzlich willkommen, Deadpool! (scd)

 

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The Beats

Aus dem Leben der Absturzpoeten

Ignorant! Banause!, mag mir wohl manch einer an den Kopf werfen – und ich muss mir dies wohl oder übel gefallen lassen. Denn die Namen Jack Kerouac, Allen Ginsberg und William S. Burroughs sagen mir tatsächlich nur etwas vom Hörensagen. Genau um diese drei Autoren – Begründer und Aushängeschilder der Beat-Generation – geht es im sinnigerweise «The Beats» (zirka 36 Franken) betitelten Bio-Comic aus dem Zürcher Verlag Walde & Graf. Geschrieben von Harvey Pekar («American Splendor») und Paul Buhl, war es unleugbar vor allem die Graustufen-Grafik mit ihren wunderbar-schrägen Charakterkopf-Modellierungen von Ed Piskor, die mich in ihren Bann zog.

 

Nun, bereitet es tatsächlich Vergnügen, 200 Seiten über das Leben von Kult-Schriftstellern zu lesen, die einem kein Begriff sind? Bei aller Sympathie: Den Aneinanderreihungen von Ereignissen aus dem unsteten Dasein von Kerouac, Ginsberg und Burroughs – Drogen, Wahnsinn, Meditation, Ruhm: Höhen und Tiefen liegen extrem nah beieinander – zu folgen, gestaltet sich aufgrund der zahlreichen fallenden Namen und Figuren nicht immer gerade einfach und erfordert ein gewisses Durchhaltevermögen. Wer das bereit ist auf sich zu nehmen, wird mit einem interessanten Blick auf die Subkultur im Amerika der 1950er-Jahre belohnt, der vor allem auch Lust auf etwas macht: Die Ergüsse der Absturzpoeten, welche die Literatur mit ihrer Radikalität so ziemlich umgekrempelt haben, im Original zu lesen. Kurzum: Ein auch von der Aufmachung her sehr ansprechender Band, der zumindet ein Anlesen mehr als verdient hat! (scd)

 

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Die Liga der aussergewöhnlichen Gentlemen 3: 1910

Die Ballade vom Versagen der traurigen Gentlemen

Kapitän Nemo liegt im Sterben. Seine Tochter Janni soll der Nautilus künftig den Ton angeben. Das Piratendasein behagt dieser nicht, und so flieht die junge Frau nach London, wo sie den ganzen Schmutz der Unterschicht Anfang des 20. Jahrhunderts am eigenen Leib erfahren muss. Gleichzeitig hinterlässt Jack the Ripper in den Gossen des Hafenviertels seine blutige Spur.

 

«Eine der besten Arbeiten von Alan Moore», urteilt Comic Book Galaxy, wie es werbend auf dem Umschlag von «Die Liga der aussergewöhnlichen Gentlemen: 1910» (Panini, zirka 21 Franken) heisst. Dieses Urteil wage ich in Frage zu stellen. Ich hatte ja anlässlich der deutschen Ausgabe von «Lost Girls» die Gelegenheit, ein längeres Telefoninterview mit dem mittlerweile 56-jährigen Briten zu halten. Dabei zeigte sich – was nicht überraschte – dass Moore ein feinfühliger, tiefsinniger Mensch ist. Doch mit dem dritten Band der «extraordinary gentlemen» stellt er sowohl Neueinsteiger, die sich vom grossen Namen blenden lassen, als auch seine Anhänger auf eine harte Probe: Während sich die vorherigen Bände als recht massentauglich erwiesen hatten – sonst wäre es wohl auch nicht zur gleichnamigen, auch wenn nicht gerade werktreuen, actionlastigen Adaption fürs Kino mit Sean Connery gekommen – scheint «1910» geradezu einer Pervertierung des Erfolgskonzepts gleichzukommen. Alan Moores Rache an der Kulturindustrie?

 

Den einstmaligen Helden, oder was noch von ihnen übrig geblieben ist, unter der Führung von Mina Harker (aus «Dracula»), gelingt es in diesem vergleichsweise dünnen Bändchen auf Biegen und Brechen nicht, herauszufinden, von welcher obskuren Gefahr London diesmal dem Erdboden gleichgemacht zu werden droht. (Weil der Leser schon von Anfang an weiss, was Sache ist, wirkt das Versagen noch immenser und die Spannung bleibt entsprechend auf der Strecke.) Selbst als die Katastrophe eintrifft, die ziemlich viel mit der All-Star-Truppe selber zu tun hat, haben Allan Quatermain und Co. dem Schrecken letztlich nicht allzu viel entgegenzusetzen. Zurück bleibt ein (aufgrund seiner Dekadenz zu Recht?) zerstörtes Hafenviertel und unzählige Tote. Dass in rund einem Drittel der Panels gesungen wird, erhöht (zusammen mit dem Umstand, dass das Medium Comic gezwungenermassen ohne Ton auskommen muss) das Lesevergnügen übrigens auch nicht unbedingt. Bestimmt verfügt «1910» schon über das gewisse Etwas, das Urteil darüber bleibt aber höchst ambivalent. Das hat möglicherweise auch damit zu tun, dass das Ganze eigentlich als anscheinend ziemlich komplexe, in verschiedenen Epochen spielende Trilogie geplant und der One-Shot «The Black Dossier» hierzulande nie erschienen ist. – Für die Grafik war übrigens wiederum Kevin O’Neill mit seinem charakteristischen eckigen Strich besorgt. (scd)

 

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Infos zur geplanten «Century»-Trilogie (english) »

Shutter Island

Katz und Maus in der geschlossenen Anstalt

Die beiden US-Marshals Tedy Daniels und Chuck Aule werden nach Shutter Island berufen. Auf dem von der zivilisierten Umwelt abgeschnittenen Domizil einer Klinik für kriminelle Geistesgestörte sollen sie das ominöse Verschwinden einer gefährlichen Patientin untersuchen. Doch Doctor Cowley, der auf dem Eiland das Sagen hat, macht nicht gerade einen kooperativen Eindruck – Daniels befürchtet zunehmend, dass hinter den dicken Mauern schreckliche Dinge im Namen der Wissenschaft geschehen. Doch nichts ist wie es scheint in diesem raffinierten Verwirrspiel, bei dem die Grenze zwischen Normalität und Wahnsinn immer dünner zu werden droht.

 

Nein, bei «Shutter Island» (Schreiber & Leser, zirka 30 Franken) von Dennis Lehane handelt es sich definitiv um keine jener meist minderwertigen Produkte der Kategorie «Comic zum Film». Vielmehr basiert die Graphic Novel auf dem Roman von Christian De Metter von 2003, der wiederum als Vorlage für die aktuelle Verfilmung von Martin Scorsese diente. Im Vergleich – und dieser drängt sich aufgrund der Ähnlichkeit des Mediums auf – zu den satten Farben der Leindwand-Adaption fällt das in Brauntönen realisierte, gemalte Artwork des Comics auf, das von in Farbe ausgeführten Erinnerungs- und Traumsequenzen durchbrochen wird. Weiterhin sticht ins Auge, dass zahlreiche Dialoge 1:1 übernommen wurden. Generell muss einschränkend gesagt werden, dass Altmeister Scorsese sowohl formal als auch inhaltlich die Messlatte extrem hoch angesetzt hat. Dieser enthält mich dem KZ-Dachau-Strang sogar eine Erzählebene (und dazu noch eine ziemlich bedeutsame), die im Comic gänzlich fehlt. Ein beklemmender Score und die grössere Unmittelbarkeit infolge der nicht wie beim Buch individuell steuerbaren Rezeptionsdauer, brillantes Schauspiel (Leonardo DiCaprio, Ben Kingsley) und ein radikalerer Schluss tun das ihre, um die Verfilmung – ohne an dieser Stelle die Textsorten gegeneinander ausspielen zu wollen – zu einem einprägsameren Erlebnis zu machen. Trotzdem: De Metter ist eine hochwertige Comicadaption gelungen, die sich vorzüglich als Vorspiel oder aber viel eher noch zur Nachbereitung seines Leinwand-Kollegen eignet. (scd)

 

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Spirou & Fantasio Spezial 10: Spirou und der Roboter

Cholerischer Page greift zur Bazooka

Über 20 Jahre nach der Ersterscheinung auf Deutsch in Albenform, wird mit «Spirou und der Roboter» (Carlsen, zirka 16 Franken) ein weiteres der frühen Abenteuer aus der Feder Franquins neu aufgelegt und so auch für jüngere Generationen zugänglich gemacht. Der zehnte Band der «Spezial»-Reihe enthält «Spirou und die Fertighäuser», «Radar der Roboter» sowie als deutsche Premiere die Miniaturen «Spirou am Strand». Der Hochglanzdruck dürfte Puristen selbstredend das Wasser in die Augen treiben – aber im direkten Vergleich zur Ausgabe von 1988 muss fairerweise doch auch angemerkt werden, dass die extrem satt geratenen Farben durchaus ihren Reiz haben.

 

Wie etwa bei den Mickey- und Donald-Frühwerken bereitet es auch hier grosses Spass, unsere beiden noch sehr rudimentär zu Papier gebrachten Helden in bester Slapstick-Manier – der auf das Hier und Jetzt ausgerichtete Gag dominiert klar über die Story – agieren zu sehen. Einer der Höhepunkte ist sicherlich die Szene, in der der quirlige Rotschopf in Pagenuniform ungewohnt rabiat zu Maschinengewehr und Rackrohr greift, um sich einer aggressiven Roboter-Schöpfung eines klassischen «mad scientist» (auch was seine Physiognomie und seine tumben Weltbeherrschungs-Gelüste anbelangt) zu entledigen. Der Zeitgeist – und das bringt einem zum Grübeln und erinnert etwa an vergleichbare Szenen aus den «Tim und Struppi»-Urfassungen – zeigt sich auch unverhohlen und entblössend am Auftritt eines Juden, der mit seinen überzeichneten Gesichtszügen stereotyper nicht dargestellt sein könnte. Immerhin fiel dieses rassistische Einsprengsel in den 1970er-Jahren auch Franquin selber auf. Dieser zeichnete daraufhin die Figur auf unverdächtige Weise nochmals neu, wie dem lesenswerten Kommentarteil zu entnehmen ist. (scd)

 

Übersicht über alle Bände der «Spezial»-Reihe »

Hellboy 10: Die wilde Jagd

König Artus verpflichtet

Nach einer längeren Frist von beinahe zwei Jahren nimmt der zehnte Band von «Hellboy» (Cross Cult, zirka 35 Franken) den Faden des neunten  auf. Hellboy wird von einem mysteriösen Club, dem er bereits im 5. Band „«Die rechte Hand des Schicksals» begegnet war und dessen Mitglieder nicht zu altern scheinen, zu einer Jagd auf Riesen eingeladen und in einen Hinterhalt gelockt. Die Begegnung mit den Riesen führt Hellboy erneut seine Bestimmung als Zerstörer der Welt vor Augen, was umso ungelegener kommt, als sich hinter seinem Rücken der endzeitliche Kampf zwischen den Armeen von Gut und Böse anbahnt.

 

In einem Interview im Anhang kündigt Hellboys Schöpfer Mike Mignola an, dass bald grosse Änderungen bevorstünden. «Die wilde Jagd» bereitet die Leser auf diesen erzählerischen Umbruch vor. Mignola verknüpft die Identitätskrise Hellboys mit der mittelalterlichen Sage um König Artus und Elementen aus der keltischen Mythologie. Es ist nicht nur atmosphärisch einer der düstersten Bände aus der Reihe um den paranormalen Ermittler. Hier zeigt sich, wie richtig Mignolas Entscheidung war, mit dem Zeichner Duncan Fegredo zusammenzuarbeiten: Seine Bilder bewahren die intensiven Kontraste aus der Schwarzweiss-Periode und vertiefen sie durch ein virtuoses Spiel mit Licht und Schatten. Nicht nur die suggestiven Schlusspanels erwecken Erwartungen, dass Hellboy nun neue Pfade betreten wird, die ihn endgültig zu seiner Bestimmung hinführen werden. (wak)

 

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Criminal 5: Sünder

Manchmal kommen sie wieder

Der von moralischen Bedenken innerlich zerfressene Killer, die attraktive Gemahlin und Tocher des alten Gangsterbosses als Femmes fatales im Doppelpack, die Intrige, der Sex, der Alkohol: Auch in «Sünder» (Panini, zirka 29 Franken), dem fünften Band der Serie «Criminal» von Ed Brunaker und Sean Philips sind alle Zutaten vorhanden, die es einen richtigen Crime-Noir-/Hardboiled-Stoff ausmachen. Und doch besteht aufgrund der packenden Schreibe, der genialen Komposition und der düsteren grafischen Realisierung nie die Gefahr, dass sich das Konzept abnützt.

 

Freude bereitet das Wiedersehen mit dem aus dem zweiten Band «Blutsbande» bekannte Auftragsmörder Tracy Lawless, der mich optisch und auch von der Anlage her immer wieder gern an Marv aus «Sin City» erinnert. Kritisieren könnte man am aktuellen Band höchstens, dass die Plotbasis nicht mehr ganz taufrisch ist. (scd)

Die Legende der scharlachroten Wolken 2: Wie Blätter im Wind

Der Verstümmelte schlägt zurück

Der herrenlose Samurai Raigo nennt nun endlich seine legendären Schwerter, die scharlachroten Wolken, wieder sein eigen. Neben seinem Besitz kommt auch seine verlorene Erinnerung wieder zurück und führt in den unvermeidlichen Showdown mit seinem Erzfeind.

 

Wie bereits im ersten lässt sich auch im zweiten Band von «Die Legende der scharlachroten Wolken» (Splitter, zirka 22 Franken) über den spektakulären Zeichenstil des Italieners Saverio Tenuta nur staunen. Extrem detailreich und mit starken Farben präsentiert sich die vom alten Japan inspirierte Landschaft äusserst ästhetisch. Was aber auch die Brutalität der Kämpfe recht zur Geltung bringt und den Band für jüngere Leser nicht empfehlenswert macht. Schwächer als das Grafische zeigt sich die Handlung. Immer noch bleibt vieles im Dunkeln und man weiss nicht so recht, worauf Tenuta schlussendlich hinaus will. Dies wird hoffentlich in den Folgenbänden nachgeliefert. (ras)

 

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G-Taste Visionen 1

Busen statt Handlung

Eigentlich kann man den vorliegenden Band mit den gängigen Mitteln der Comic-Rezension nicht adäquat rezensieren. Denn offensichtlich erhebt «G-Taste Visionen» (Panini, zirka 25 Franken) des Japaners Hiroki Yagami gar nicht den Anspruch, ein Comic im eigentlichen Sinne zu sein. Dies zeigt sich bereits im Vorwort des Autors, wo er statt auf sein Werk einzugehen über die Erotik von Schuhen mit hohen Absätzen philosophiert. Kurz und bündig: «G-Taste Visionen» kann man am ehesten als Männermagazin mit Hang zum Trash beschreiben, bei dem die Models gezeichnet sind. Die kurzen Episoden haben zwar immer eine «Handlung», wobei die beiden komplexesten Geschichten sich mit einem Mädchen, das sich zum Geburtstag selbst eine Intimrasur schenkt und den geheimen lesbischen Spielen zweier Schwestern befassen.

 

Beachtenswert ist die detailverliebte Grafik. Der Zeichner scheint den Schattenwurf jedes Zentimeters des weiblichen Körpers zu kennen. Natürlich versteht es sich von selbst, dass der Zeichner dabei jeweils eine unrealistisch üppige, weibliche Anatomie zelebriert. Somit scheint der Band insbesondere für Einhandleser mit Faible für weibliche Manga-Figuren geeignet zu sein. Jedenfalls spielt der Markt mit – auf den November ist Band 2 des Hochglanz-Machwerks angekündigt. (ras)

Guin Saga 1

Leopardenkopf rettet Königskinder

Um ehrlich zu sein, ist mit dem gesetzten Titel eigentlich schon fast alles zu «Guin Saga» (Panini, zirka 15 Franken) von Kaoru Kurimoto und Hajime Sawada gesagt. Die adeligen Zwillinge Remus und Rinda flüchten vor den Soldaten aus Mongaul, die ihre Heimatstadt überrannt und ihre Eltern umgebracht haben. Guin – ein muskelbepackter Riese mit Leopardenkopf – rettet die beiden vor der Verfolgung. Doch die Übermacht ist zu gross und die drei werden auf die Festung Stafolos verschleppt, wo ihnen ein unbekanntes Schicksal blüht.

 

Der vorliegende Band sticht vor allem durch seine grafische Stärke heraus. Die schwarz-weissen Bilder weisen eine beeindruckende Liebe zum Detail auf. Diese zeigt sich auch bei den Kämpfen, was die teilweise recht brutalen Zeichnungen für jüngere Leser ungeeignet erscheinen lässt. Für Fantasy-Fans mit Vorliebe für Manga sicherlich empfehlenswert. (ras)

Die Bruderschaft der Krabbe 1

Im Gruselinternat ist der Teufel los

Vier in einer Art Erziehungsanstalt untergebrachte Jungs, die miteinander durch dick und dünn gehen und sich die unglaublichsten Szenarien ausdenken, warum sie hier sind und was die Nonnen mit ihnen vorhaben. Die Rede ist von Krabbenteilen, die den Halbwüchsigen operativ entfernt und zu etwas Monströsem zusammengesetzt werden. Dass die Realität diese düsteren Fantasien bei weitem übertrifft, wird klar, als Mael, der neu dazugekommene Fünfte im Bund, die Grenzen überschreitet.

 

Der erste Band von «Die Bruderschaft der Krabbe» (Splitter, zirka 22 Franken) von Matthieu Gallié und Jean-Baptiste Andreae hinterlässt einen ambivalenten Eindruck: Wunderschön gezeichnet, kommt der Plot so pseudomysteriös wie platt daher, so dass die hochgestochenen, quasi-philosophischen Dialoge zwischen den Naseweissen wie eine Farce anmutet. Als dann auch noch Graf D*** höchstpersönlich auftritt, wirds lächerlich. Schade, denn gute Ansätze wären durchaus vorhanden. (scd)

 

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Schwerpunkte

Eros, Hallenbad, ER und eine schöne Gesamtausgabe

Mit «Candid Camera und andere erotische Geschichten» (Panini, zirka 40 Franken) erscheint der vierte Band der Werkausgabe von Milo Manara. Anatomisch einmal mehr brilliant umgesetzt, sprechen die kurzen Episoden, die sich hauptsächlich ums Sehen und Gesehen werden im medialen Zeitalter drehen, vor allem das Stammhirn an. Die für den italienischen Künstler charakteristischen grotesken Elemente sind zwar vorhanden, doch insgesamt kommen die Storys nicht über den Status netter verruchter Geschichtchen hinaus. Die nächste Ausgabe «El Gaucho» – wiederum eine Zusammenarbeit mit Hugo Pratt – verspricht mehr Niveau. (scd)

 

Was von der Manara-Werkausgabe generell zu halten ist, lest ihr hier »

In diesem Monat erwarten euch zudem auf Comic-Check weitere drei neue Schwerpunkte, in denen sich unsere Autoren detaillierter mit einem Werk auseinander setzen.

 

Der Geschmack von Chlor

In seiner berückenden Coming-of-Age-Erzählung «Der Geschmack von Chlor» geht Bastien Vivès von einem alltäglichen Sprichwort aus und erschliesst seinen Lesern damit doch eine ganz neue Bilderwelt.

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Gott höchstselbst

Ein juristischer Diskurs über Gott oder eine Satire über kapitalistisches Verwerten? In «Gott Höchstselbst» holt Marc-Antoine Mathieu zu einem substanzlosen Rundumschlag aus.

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Freddy Lombard Gesamtausgabe

Zum 20. Todestag von Yves Chaland legt die Zack-Edition zum ersten Mal den kompletten «Freddy Lombard» in einer Edition vor. Dabei kommt einmal mehr die Komplexität und Heterogenität der Serie zum Vorschein.

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Splitter

Weiterhin neu in den Comic-Regalen

Mit «Die drei Augen der blaugrünen Stadt» (Originalausgabe 1986, Splitter, zirka 23 Franken) erscheint der zweite Band der Neuauflage von «Die Gefährten der Dämmerung» von Francois Bourgeon. Wiederum werden düsteres Mittelalter und Fantasie miteinander vermengt – und der Weg ist frei für den dritten, überlangen Band «Das Fest der Narren», der auf Oktober angekündigt ist. Kenner der für das Medium Comic wichtigen Serie wissen, Erstleser erahnen: Die Mär wird nicht gut ausgehen. Wie von Splitter gewohnt in hochwertiger Aufmachung und mit sinnvollem Bonusmaterial versehen. Gehört – wie auch «Reisende im Wind» (die Reissue liegt jetzt komplett vor) – in jede ernst zu nehmende Sammlung. (scd)

 

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Nach «Die sieben Kristallkugeln» erscheint mit der Fortsetzung «Der Sonnentempel» der 13. Band der Farbfaksimile-Ausgabe der Abenteuer von «Tim und Struppi» (Carlsen, zirka 28 Franken). Nachdem Hergé nach der Befreiung Brüssels ein Berufsverbot auferlegt wurde und dieser in «Le Soir» publizieren konnte, eröffnete ihm die Lancierung von «Tintin» im September 1946 nach zweijähriger Zwangspause ganz neue Möglichkeiten in punkto Papier- und Druckqualität. Bedauerlicherweise handelt es sich nicht um keine Reproduktion der querformatigen «Tintin»-Seiten, welche auch durch inhaltliche Differenzen – Haddock kaut Coca oder betätigt sich als Grabräuber – auffallen und so den Vergleich zur heutigen Ausgabe interessant machen. (scd)

Mit «Martha zieht in den Krieg» (Panini, zirka 32 Franken) geht «Das Leben und Wirken der Martha Washington im 21. Jahrhundert» von Frank Miller und Dave Gibbons (im Original 1994) in die zweite Runde. Der Zauber des Anfangs ist zwar vorbei, aber der actiongeladene Plot um die starke afroamerikanische Protagonistin erfreut nach wie vor. Der Sammelband enthält sämtliche Geschichten der früheren Carlsen-Ausgabe in chronologischer Folge der Erzählzeit – sowie als Dreingabe und deutsche Erstveröffentlichung die Kurzgeschichte «Gestrandet im All». Man darf zu Recht auf den dritten und letzten Band der Reihe gespannt sein – dieser enthält mit «... Saves the World» vollumfänglich bislang auf Deutsch nicht publiziertes Material des wegweisenden Dystopie-Epos. (scd)

Doppelter Aufstand dreier Halbwüchsiger in einem fiktiv-fantastischen mediävalen Universum: Zum einen gegen die Eltern, zum anderen gegen das vorbestimmte Schicksal als Kinder von Bauern. Ausgerissen von zu Hause, auf zu Abenteuern – und dann gerät dem Trio ein mysteriöses Amulett in die Hände, dessen Zauberkraft ein Segen ist, sich aber künftig genauso gut als Fluch erweisen könnte. Das ist die Ausgangslage der neuen Serie «Angor» («Flucht», Splitter, zirka 22 Franken) von Gaudin und Armand. Ein durchaus gelungener Auftakt, der mit seiner halbrealistischen Grafik und dem rasanten Plot gerade eine jugendliche Leserschaft besonders in seinen Bann ziehen dürfte. Band 2 ist auf den Januar 2011 anberaumt. (scd)

 

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Mit «Enten entern! Meuterei auf der Mounty» (Ehapa, zirka 27 Franken), erscheint der mittlerweile fünfte Band der Disney-Reihe «Enthologien». Nach den Pharaonen, alten Griechen, Cowboys und Indianern sind dieses Mal die Piraten dran. Der dicke Hardcover-Band versammelt 13 Beiträge aus den Jahren 1975 bis 2006; einen Schwerpunkt machen Storys der 1980er-Jahre aus. Drei der Geschichten um Donald, Mickey und Co. als Freibeuter (oder im Kampf gegen solche) entstammen «Lustigen Taschenbüchern» (210, 234 und 255). Beim ältesten («Schrecken der Karibik» von Sergio Asteriti) und neuesten («Lebende Fossilien») Comic handelt es sich um deutsche Erstveröffentlichungen. Nächster Band der Reihe wird «So ein Theater! Donald setzt sich in Szene» sein. Ein Pflichtprogramm für alle Disney-Liebhaber, die auf thematische Sammlungen stehen! (scd)

 

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Mit «Punisher» (Panini, zirka 26 Franken) kommt der vierte Band der «Marvel Noir»-Reihe auf den Markt. Die Zeit der Prohibition und Gangster scheint für den «Bestrafer» geradezu wie geschaffen – als Pendant für das traumatisierende Vietnam fungieren hier die verstörenden Erlebnisse in den Schützengräben des Ersten Weltkrieges. Leider erfüllen sich die gesetzten Erwartungen nicht, was überhaupt mit dem stimmigen Artwork von Paul Azaceta überhaupt nicht zu tun hat. Vielmehr ist es der hauchdünne Plot von Frank Tieri – Papi von skrupellosen Verbrechern gemeuchelt, Sohn schwört Rache, was ihm schliesslich nach vielen Jahren harten Trainings und einigen Rückschlägen auch gelingt –, der sich als gigantischer Spielverderber erweist. (scd)

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