Schwarze Gedanken

Der andere Franquin: Radikal zynisch

Durch seine Figuren Spirou und Fantasio, das Marsupilami und Gaston ist ihm ein Ehrenplatz im Comics-Olymp gewiss: Die Rede ist vom vor wenigen Jahren verstorbenen, kongenialen Comic-Künstler André Franquin, der neben Hergé («Tim und Struppi») zu den stilprägendsten Europas gezählt werden kann. Was eher weniger bekannt und angesichts des spritzigen Humors etwa in den Abenteuern des tollpatschigen Büroboten Gaston doch überrascht (oder auch nicht), ist der Umstand, dass Franquin über viele Jahre seines Lebens an schweren Depressionen gelitten hat.

 

Es wäre gewiss reisserisch, einen direkten Bezug zum 1977 erstmals herausgegebenen Werk «Schwarze Gedanken» ausmachen zu wollen, das nun nach vielen Jahren endlich wieder in deutscher Sprache erhältlich ist (Carlsen, zirka 18 Franken). Doch eines ist sicher: Derartig zynisch hat man den Meister noch nie erlebt. «Schwarze Gedanken», das massgeblich zur Entwicklung des modernen Erwachsenencomics beigetragen hat, zeigt Franquin als brillanten Beobachter, der sich gegen Krieg, blindes Ja-Sagertum und die Zerstörung der Umwelt engagiert.

 

Aktueller denn je
Das fatale daran ist, dass die Figuren aus den sinngemäss komplett in Schwarz-Weiss gehaltenen «Schwarzen Gedanken» ihren Zeichner überlebt haben, ohne auch nur die geringste Patina anzusetzen: Die Rede ist etwa vom profitgeilen Minister, dessen Geschäfte ihm ein «Schmiergeldschlösschen an der Côte d`Azur» eingebracht haben. Oder von den Gaffern, die sich neben den verkohlten Überresten eines Selbstmörders lauthals über die gerade erfolgte Benzinverschwendung zu ereifern wissen.

 

Dergestalt sind Franquins «Idées Noires»: Absolut systemquer und radikal. Ein würdiges Pendant in Bildern etwa zum philosophischen Werk «Reflexionen aus dem beschädigten Leben». Im Gegensatz zu Adorno dürfte es für Franquin wenigstens ein kleiner Trost gewesen sein, dass er in seinen Bildgeschichten das seine dazu hat beitragen können, ausgleichende Gerechtigkeit walten zu lassen. So erleidet etwa der besagte korrupte Minister einen Autounfall und muss sterben, weil er den Etat des Gesundheitswesens zuvor derart hat kürzen lassen, dass in der ganzen Stadt nur noch fünf Krankenwagen zur Verfügung stehen und die medizinische Ausrüstung derart veraltet ist... Unbedingt empfehlenswert!

 

Dave Schläpfer, im September 2005

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