Graphic Novels

Von Rap-Ikonen, Superhelden und Zombies

Anspruchsvolle Comics sind wieder am Aufkommen. Ein Überblick über empfehlenswerte Re-Releases und Neuerscheinungen im Bereich Graphic Novels.

Lange Zeit war der Grossverleger Carlsen Comics im deutschsprachigen Bereich eine der ersten Adressen, wenn es um Comics ging, die durchaus auch auf dem Nachttisch einer erwachsenen Leserschaft liegen durften. In seiner «Edition Comic Art» kamen verschiedenste Perlen des anspruchsvollen Comics heraus. «Comic Art» wurde jedoch eingestellt, da sich Carlsen - mit Erfolg - immer mehr auf das Verlegen mehrheitsfähigerer Comics à la «Spirou und Fantasio» spezialisierte. Allem Anschein nach ist nun jedoch klar geworden, dass auch für Erwachsenen-Comics durchaus ein Käufersegment existiert.

Re-Releases und Mangas

Dies zeigt sich einerseits durch die Wiederherausgabe von seinerzeit in der «Edition Comic Art» herausgegebenen Werken, die lange Zeit nur noch antiquarisch oder fremdsprachig erhältlich gewesen sind. So wird etwa in Bälde der einflussreiche Comiczyklus «Reisende im Wind» (1979) des Franzosen François Bourgeon erscheinen. Der Franzose erzählt darin in atmosphärischen Bildern in bis dahin ungesehener Authentizität die tragische Geschichte einer jungen Frau am Ende des 18. Jahrhunderts, die es nach einer Intrige um den halben Erdball verschlägt. Zum anderen wird dies deutlich am Ausbau von Carlsens Manga-Reihe, die mit der über 2000-seitigen Negativ-Utopie «Akira» (1982) startete. Hier erscheinen regelmässig hochwertige Graphic Novels, zuletzt etwa «Barfuss» oder «Adolf». In «Adolf» (1983) erzählt der inzwischen verstorbene Manga-Altmeister Osamu Tezuka in einem gelungenen Mix aus östlichem und westlichem Zeichenstil von den Schicksalen dreier Personen mit dem Namen Adolf zur Hitlerzeit. Er hat damit ein faszinierendes und spannungsgeladenes Stück Fakto-Fiction geschaffen. Ebenfalls mit der Kriegsvergangenheit befasst sich die erschütternde autobiografische Erzählung «Barfuss durch Hiroshima» (1973) von Keiji Nakazawa, die jetzt zum ersten Mal komplett auf Deutsch vorliegt und als östliches Pendant zu Art Spiegelmanns «Maus» (1977) gesehen werden kann.

Gespaltene Superhelden

Mit der Gesamt-Edition von «Watchmen» (1986, Panini) von Alan Moore und Dave Gibbons kommt ein weiterer wichtiger Comic-Roman als Re-Release in die Läden. «Watchmen» läutete mit seinen kaputten Charakteren das Ende der goldenen Superhelden-Ära, die nur den strahlenden Helden und den abgrundtief bösen Schurken kannte, ein. Moore zeichnete sich unter anderem auch für das Skript des Parallelen aufweisenden Comics «V For Vendetta» verantwortlich, dessen Adaption Mitte März in die Kinos kommt. Ebenfalls prominent filmisch umgesetzt worden – und zwar so vorlagengetreu wie noch nie – ist Frank Millers «Sin City» (1991, Cross Cult), eine noch nicht abgeschlossene Sex&Crime-Serie, in der in hartem S/W-Kontrast verschiedene Handlungsstränge gekonnt miteinander verknüpft werden. Später in diesem Jahr wird zudem Millers grafischer Meilenstein «300» neu herauskommen.

Neue Strömungen

Das bedeutet jedoch nicht, dass sich die Geschichte anspruchsvoller Comics nur in der Vergangenheit abspielt. Auch in neuerer Zeit haben Graphic Novels wie etwa Barus «Autoroute du soleil» (2000) oder das letztes Jahr posthum erschienene «Das Komplott» von Will Eisner, einem der Mitbegründer des Comic-Romans (siehe unten), von sich Reden gemacht. Äusserst populär und dabei gleichzeitig inhaltlich und formal top ist die eben erschienene Comic-Bio «Death Rap» (Schwarzkopf & Schwarzkopf) über die 1996 bei einem Attentat ums Leben gekommene Rap-Legende 2Pac Shakur. Der vor allem durch seine Cobain-Biografie bekannte Autor Flameboy gibt damit einen unbeschönigten Einblick in das Leben des polarisierenden Rappers, welches er in den Kontext der Geschichte der Rassendiskriminierung in den USA stellt. Indes eher ein Nischenpublikum erreichen dürfte «The Walking Dead» (Cross Cult), ein Zombie-Zyklus ganz im Geiste des Genre-Wegbereiters George A. Romero. Ähnlich wie etwa beim klaustrophobischen Thriller «Cube» gehen die Autoren Robert Kirkman und Tony Moore der existenzialistischen Frage nach, wie Menschen in Extremsituationen reagieren. Dies wird in realistischem Zeichenstil mit Grauton-Einfärbung am Schicksal des Kleinstadtpolizisten Rick Grimes und seiner Familie, die sich – verbarrikadiert in den Wäldern – in der neuen Untoten-Weltordnung zurechtfinden muss, exemplarisch und drastisch aufgezeigt.

 

Dave Schläpfer, im März 2006

Comic-Romane
Als «Graphic Novels» werden gemeinhin längere Comic-Erzählungen bezeichnet, die inhaltlich komplex und oft auch vom Zeichnerischen her aus dem Rahmen fallen. Die Vielfalt der Themen ist riesig. Zielpublikum ist meistens ein erwachsenes Publikum. Den Ausdruck und das Genre geprägt hat der amerikanische Autor Will Eisner mit seiner Erzählung «Ein Vertrag mit Gott» (1979). Gewisse Exponenten des Genres wie etwa Alan Moore lehnen den Begriff jedoch ab, da dieser nur kommerziellen Interessen diene. (scd)

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