John Difool / Der Incal

Brillanter Genre-Mix im psychedelischen Weltall

Das drohende Ende stellt sich als Anfang heraus: Während des langen Falls in Richtung des Säuresees einer Weltraummetropole spürt der Privatdetektiv John Difool, dass sein letztes Stündlein geschlagen hat. In letzter Sekunde rettet ihn jedoch ein Flugvehikel der automatisierten Roboter-Polizei. So beginnt einer der Klassiker im Bereich der Comic-Kunst – «John Difool: Der Incal» – dessen sechs Bände auf Deutsch von 1983 bis 1990 erschienen und von mehreren verschiedenen Verlagen publiziert wurden. Gezeichnet wurde die SciFi-Mär vom Franzosen Moebius und geschrieben vom chilenischen Künstler Alejandro Jodorowsky. Nun wird die Serie bei Splitter neu aufgelegt (je Band zirka 14 Euro/17 Franken).

Stein befiehlt Weltrettung

Die Handlung ist rasch zusammengefasst: Nach einem vermeintlich lukrativen Personenschutzauftrag, der ordentlich misslingt, muss der eher zweitklassige Privatdetektiv John Difool fliehen. Dabei gerät er scheinbar zufällig an einen sonderbaren Stein. Doch bevor er das Ding verscherbeln kann, beginnt dieses mit ihm zu sprechen und will ihn zur Weltrettung verpflichten.

 

Diese geraffte Beschreibung der an sich simplen Handlung vermag die Essenz des Werks, seine Tiefe und sein Facettenreichtum, freilich nicht wiederzugeben. Selten gab es in Comic-Form einen wilderen Genre-Mix. Die im Erzählstil eines Film Noir gehaltene Detektivgeschichte mit den sporadischen Rückblenden trifft auf eine utopische Welt voller Fantasy-Elemente. Hinzu kommen romantische Episoden und Slapstick-Humor, dargeboten vom manchmal etwas überforderten Difool und seinem Mitstreiter, einem sprechenden Beton-Papagei. Zudem laden die diversen Handlungsstränge zum mehrmaligen Lesen der Serie ein.

Hang zum Esoterischen

Eine der grössten Stärken des Werks sind die psychedelisch anmutenden Zeichnungen. Während ältere Comics rasch etwas altbacken wirken, überrascht «John Difool» mit zeitlos wirkenden Bildern. Diese weisen eine enorme Vielfalt auf und reichen von schlichten, fast transparenten Kolorierungen bis zu Panels, die mit einem erschlagenden Detailreichtum aufwarten.

 

Der Zeichner Moebius, bürgerlich Jean Giraud, ist unter seinem anderen Pseudonym Gir auch für die Western-Serie «Leutnant Blueberry» bekannt. Autor Jodorowsky, der sich mit Filmen wie «El Topo» auch einen Namen als Regisseur gemacht hat, lernte Moebius bei seiner schliesslich an der Finanzierung gescheiterten Verfilmung des Science- Fiction-Romans «Dune» kennen. Ihr gemeinsamer Hang zum Esoterischen ist bei «John Difool» deutlich zu spüren. So liess Moebius etwa einige Glaubensideen einer UFO-Sekte einfliessen, der er während der Arbeit an der Serie angehörte. So erstaunt es auch nicht, dass die ungewöhnliche Serie auch so manchem Künstler als Inspiration für weitere Werke diente. Unter anderem für den Film «Blade Runner» von Regisseur Ridley Scott, der sich bei der Gestaltung seiner Filmstadt bei «John Difool» bediente.

Vier Difools kämpfen weiter

Jodorowsky brachte nach Beendigung der ersten Serie in sechs Bänden auch die Vorgeschichte heraus, «Vor dem Incal», bei der er vom serbischen Zeichner Zoran Janjetov unterstützt wurde. Unlängst hat der Splitter- Verlag ein weiteres Fortsetzungswerk auf den Markt gebracht, die dreibändige Serie «Der letzte Incal» (zirka 16 Euro/20 Franken pro Band).

 

Autor ist wiederum Jodorowsky, die Zeichnungen hat dieses Mal der Mexikaner José Ladrönn übernommen. Darin versucht ein inzwischen auf vier Individuen geteilter Difool einen todbringenden Virus zu stoppen. Vom Plot her kommt der Neuzugang nicht ganz an die ursprüngliche Serie heran. Dafür überzeugt er mit einem zugänglicheren Zeichenstil, der etwas plastischer wirkt. Zudem wirkt die Kolorierung diesmal etwas atmosphärischer und wirkt auf den Seiten als Ganzes harmonischer.

 

Sasa Rasic, im Oktober 2011

(zuerst erschienen in der «Neue Luzerner Zeitung»)

 

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