Low-Cost-Comics

Comics hoch zwei

Der Markt wird zurzeit zeitgleich von zwei umfangreichen Comic-Kompendien überschwemmt. Eine Neuentdeckung des Mediums Comic?

Im deutschen Sprachraum haftet Comics nach wie vor der Ruch der Ruch des Banalen und Kindischen an. Und dies, obwohl es inzwischen eine kaum noch überblickbare Fülle von sehr hochwertigen und komplexen so genannten «Graphic Novels» gibt, welche den Comic längst als eigenständige Kunstform etabliert haben. Als aktuelles Beispiel wäre etwa die Holocaust-Verarbeitung «Auschwitz» von Pascal Croci zu nennen. Welche Auswirkungen die beiden aktuellen Comic-Kompilationen auf die kontrovers geführte Diskussion um Wert und Unwert des Mediums Comics haben, bleibt abzuwarten.

 

«Comic-Bibliothek»
Beinahe zeitgleich - und dies ist bestimmt kein Zufall - bringen die Verlage des deutschen «Blick»-Pendants «Bild» (mit Weltbild) und des renommierten Intelligenzblatts «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (kurz «FAZ») je eine eigene Serie von Comic-Büchern verschiedener Autoren heraus. Allwöchentlich schickt «Bild» in Zusammenarbeit mit dem Comic-Verlag «Ehapa» einen neuen Titel seiner insgesamt zwölf Bände umfassenden «Comic-Bibliothek» an den Start. Den Anfang hat «Asterix» gemacht, des Weiteren folgen u.a. «Donald Duck», «Lucky Luke» und «Spirou + Fantasio», wobei der Schwerpunkt bei Funnies liegt. Damit wird tendenziell eine eher jüngere Kundschaft angesprochen.

«Comic-Literatur»
Ebenfalls wöchentlich zieht die FAZ (zusammen mit «Panini») mit ihrer gar 20 Bände erreichenden Serie «Klassiker der Comic-Literatur» nach. Das Feld hier ist deutlich breiter, wobei der Fokus unter anderem auf amerikanische Superhelden-Comics à la «Superman» gelegt wurde. Mit Graphic Novels wie etwa «Corto Maltese», Crumbs Underground-Comix «Fritz the Cat» und einem Band mit Arbeiten von Will Eisner dürfte sich hier auch eine eher erwachsene Leserschaft wohl fühlen.

 

Quantität mit Qualität
Sensationell ist vor allem der Preis der beiden Serien: In der Schweiz geht einer der Bände für rund acht Franken über den Ladenpreis. Das ist tatsächlich bar jeder Konkurrenz in Anbetracht dessen, dass heuer ein kartoniertes, 60-seitiges «Asterix»-Abenteuer zirka für diesen Preis verkauft wird und der «Bild»-Band gleich drei Abenteuer des tapferen Galliers vereint. Bei der FAZ ist man gar noch grosszügiger und offeriert in jedem Band über 250 Seiten Lesespass. Ein Wehrmutstropfen bleibt: Beide Verlage geben die Comics in verkleinerter Grösse heraus, was gerade bei der FAZ-Ausgabe regelmässig zu Schwierigkeiten führt, den Text in den Sprechblasen ohne Anstrengung entziffern zu können. Dafür werden Comic-Interessierte hier mit einem mehrseitigen, fundierten Einführungstext zur jeweiligen Comic-Serie belohnt, was im Vergleich zur «Bild»-Serie, die wiederum mit besserem Papier und einem gebundenem Einband auftrumpfen kann, einen eklatanten Mehrwert darstellt.

Kanonisierung
Auf jeden Fall scheint die Rechnung der beiden Verleger aufzugehen, so erscheint etwa «Asterix» von «Bild» bereits in der zweiten Auflage. Letztlich kann man sich natürlich zu Recht fragen, wie repräsentativ die gemachte Auswahl denn eigentlich ist. So fehlen merkwürdigerweise japanische Comics (Mangas) beinahe gänzlich, obgleich deren grosse Einfluss auf das internationale Comic-Schaffen nicht gross genug eingestuft werden kann. Selbstredend darf man sich auch über den Sinn und Unsinn einer solchen Kanonisierung des Comics streiten, die natürlich auch zu einem Grossteil im Zeichen der Profitmaximierung steht. Auf jeden Fall kann sich sowohl der Comic-Laie wie auch der -Kenner auf diese Weise auf äusserst preisgünstige Weise eine qualitativ hochwertige Comic-Sammlung aufbauen. Sehr zu hoffen bleibt, dass die Lektüre der einzelnen Bände auch dazu führt, Neues zu entdecken und sich von dieser Basis aus weitere Bände der entsprechenden Serie/Autoren zu erschliessen. Denn auch die beste Klassiker-Sammlung stellt letztlich nur einen winzigen Bruchteil des ganzen, riesigen Comic-Universums dar.

 

Dave Schläpfer, im Januar 2006

 

Die Erklärung der FAZ, weshalb welche Comics berücksichtigt wurden »

 

Die Bände der Comic-Bibliothek im Überblick »

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