Tezuka: Adolf

Japanische Fakto-Fiction

Osamu Tezuka spielt in seinem Manga "Adolf" mit dem Gerücht um Hitlers jüdische Herkunft.

Osamu Tezuka gilt als Urvater des japanischen Comics (Mangas). Tezuka, der bei uns vor allem durch "Astro Boy" bekannt ist, hat in seiner Heimat gemäss dem Carlsen-Verlag einen höheren Stellenwert als etwa Walt Disney oder Hergé in der westlichen Hemisphäre. In Japan wird der Ende der 80er-Jahre verstorbene Künstler gar als "Manga no kamisama" (Gott der Manga) verehrt. Um so erfreulicher ist es nun, dass "Adolf", eines seiner wichtigsten Werke, nun nach über zwanzig Jahren endlich erstmals auf Deutsch erscheint. Dies geschieht im Zuge einer grösseren Fokussierung auf Graphic Novels bei Carlsen Comics, was die Veröffentlichungen aus dem deutschen Verlagskonzern nach "Barfuss" und anderen Meilensteinen (wieder) zunehmend auch für Erwachsene und Liebhaber anspruchsvoller Comics interessant werden lassen dürfte.

 

Hitler ein Jude?
Ausgehend von einer japanischen Pressemeldung, in der über jüdische Wurzeln Adolf Hitlers spekuliert wird, schuf Tezuka mit der fünfbändigen Serie "Adolf ni tsugu" (Mitteilung an Adolf) ein faszinierendes und spannungsgeladenes Stück Fakto-Fiction, das sich über mehr als tausend Seiten erstreckt. Osamu Tezukas Zeichenstil in "Adolf" fasziniert, da es ihm in seinen stimmungsvollen und detailreichen Schwarz-Weiss-Zeichnungen aufs Beste gelingt, "westlichen" (realistische Darstellung der Umgebung) mit dezent "östlichem" Zeichenstil (stilisierte, cartoon-artige Darstellung vor allem der Mimik der Charaktere) zu synthetisieren. Dies macht ihn auf der ganzen Welt anschlussfähig. Weiterhin bemerkenswert ist Tezukas kreativer Umgang mit den Panels und verschiedenen Einstellungen, womit die Nähe des Mediums Comic zum Film, aber auch dessen Eigenständigkeit sichtbar wird. Für die deutschen Übersetzungen wurden die Seiten übrigens gespiegelt, damit der Comic der westlichen Lesetradition entsprechend von links nach rechts und von vorne nach hinten gelesen werden kann.

Dreimal Adolf
Thematisch geht es in diesem Manga-Epos um die tragische Verknüpfung der Schicksale dreier Träger des Namens Adolf zur Nazizeit. Im ersten Band "Mord in Berlin" versucht zum einen der Reporter Sohei Toge den gewaltsamen Tod seines Bruders während der Olympischen Spiele 1936 in Berlin aufzuklären. Zum anderen wird die Geschichte einer konfliktreichen deutsch-jüdischen Knabenfreundschaft in Japan erzählt. Im eben erschienenen zweiten Band "Das geheime Dokument", der mehr auf Action setzt, kommt die verfängliche Geburtsurkunde Hitlers in Tezukas Hände, mit deren Veröffentlichung er einen Untergang des Dritten Reichs zu erreichen hofft. Gejagt vom japanischen und nazi-deutschen Geheimdienst, beginnt eine gnadenlose Jagd.

 

Die japanische Graphic Novel "Adolf" verspricht, auch dank der verschiedenen Handlungsstränge, ein spannender und komplexer Spionagethriller zu werden. In anderer Hinsicht äusserst gewinnbringend und aufschlussreich ist die Lektüre jedoch auch, weil sie aufzeigt, welchen Blick ein japanischer und zeitkritischer Künstler, der den Zweiten Weltkrieg als junger Mann selber miterlebt hat, auf jene dunkle Epoche seines und unseres Kulturkreises wirft.

 

Dave Schläpfer, im April 2006

 

Bereits im Handel erhältlich: Band 1 "Mord in Berlin", Band 2 "Das geheime Dokument" (je zirka 22 Franken). Band 3 "Tage des Verrats" und Band 4 "Zwischen den Fronten" folgen im Mai respektive Oktober 2006.

 

Überblick über die Bände der Serie »

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