M – Eine Stadt sucht einen Mörder

Die Neugeburt eines Film-Klassikers

Kinder verschwinden, werden ermordet. Immer wieder. Ein Triebtäter ist unterwegs. Angst liegt über der Stadt. Die vielen Polizei-Razzien verderben der Unterwelt das Geschäft. Die Gangster, darunter einige mehrfache Mörder, beschliessen zu handeln, spannen die Bettler der Metropole in die Suche nach dem Übeltäter ein, mit Erfolg. Die Gangster machen dem mutmasslichen Täter den Prozess – auf ihre Weise…

 

Angesichts des unumstrittenen Klassikerstatus von Fritz Langs Film «M – Eine Stadt sucht einen Mörder» aus dem Jahr 1931 mutet der Plan einer Comicadaption, die selber höchsten künstlerischen Ansprüchen genügen will, beinahe bizarr an. Gerade auch, zumal andere Versuche, andere Filme aus Langs Fundus in die Comic-Sprache zu übersetzen, kläglich gescheitert sind, so etwa die eher unbefriedigende Miniserie «Mabuse» von Isabel Kreitz, Eckart Breitschuh und Stefan Dinter aus dem Jahr 2000. Der trotz reichhaltigem Oeuvre hierzulande bislang kaum ins allgemeine Bewusstsein gedrungene Amerikaner Jon J Muth hat sich an dieses ambitiöse Projekt gewagt. Er präsentiert unter gleichem Titel (Cross Cult, zirka 44 Franken) eine eindrückliche Neufassung des Stoffs, die – entstanden Anfang der 90er-Jahre – nun endlich auch auf Deutsch in einer Gesamtfassung vorliegt. Ausgehend von bearbeiteten Fotos von durch Freunden und Familienangehörigen nachgestellten Szenen aus dem Film ist Muth ein originäres Werk gelungen, in dem sich Langs Vorlage wie in einem Prisma spiegelt und das auch ein neues Licht auf die im Prinzip unbegrenzten Möglichkeiten des Mediums Comic wirft. Die mit etwaigen Farbtupfern für Schlüsselgegenstände versehenen Bilder in Schwarzweiss- und Sepiatönen verblüffen und irritieren zugleich mit ihrem in unterschiedlichen Graden verfremdeten Fotorealismus.

 

Einziger Wermutstropfen: Das unsägliche Maschinenlettering, das so gar nicht zur kunstvollen Grafik passen will. «Wir haben diese Friktion zwischen extrem pointiertem, kühlem Lettering und den verwaschenen, erdigen Illustrationen als Stilmittel beibehalten, weil wir der Meinung waren, dass es von Muth so beabsichtigt war», nimmt Cross-Cult-Pressesprecher Filip Kolek zu diesem Vorwurf Stellung. Flankiert wird das Werk von einem Vorwort von Georg Seesslen und Nachwort von Joche Ecke. Vor allem Ersteres ist mit seinem akadamischen Duktus beinahe etwas zu viel des Guten, vermag mit seiner Mikroanalyse den Blick jedoch tatsächlich zu schärfen für Details, die den Wert des grafischen Romans Muths nur noch mehr untermauern. Der superbe Eindruck hätte sich höchstens noch verstärkt und die Transformation in die Postmoderne wäre vollends geglückt, wenn sich der Autor Autor bei seinem perspektivischen Vexierspiel dazu entschliessen hätte können, offen zu lassen, ob «M» überhaupt schuldig ist oder nicht. (scd)

 

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Anfang August gibt es auf Comic-Check ein Interview mit Jon J Muth.

Bad Boy

Der kleene Cyber-Punker

Zugegeben: «Bad Boy» (Panini, zirka 22 Franken) ist wirklich brutal schräg und auf eine gewisse Weise schon eine Offenbarung für sich. Doch irgendwie halt schon auch ein extremes Strohfeuer. Doch der Reihe nach, zunächst einmal drei Trugschlüsse aus der Welt schaffend: Nein, es handelt sich leider um kein neues Werk des Altmeisters – «Bad Boy» ist erstmals 1997 erschienen. Und nein, es handelt sich leider auch um keine deutsche Erstveröffentlichung, der Band ist bei Schreiber & Leser bereits im Jahr 2000 publiziert worden und dort nach wie vor erhältlich. Und abermals nein, Frank Miller ist leider nicht Autor und Zeichner in persona, wie das das Panini-Cover vermuten liesse, das stark an die Machart von «Sin City» erinnnert. Für das Artwork der eigentlichen Story zeichnet sich Simon Bisley verantwortlich. Und zu guter Letzt – ja: Ein Hardcover wäre bei einem solch trashigen 36-Seiten-Comic wirklich nicht nötig gewesen und befremdet eher wie etwa schon bei «A History of Violence», wobei es sich hier wenigstens nicht so stark auf den Verkaufspreis auswirkt.

 

Das soll jetzt nicht zynisch gemeint sein, aber Zeichner Bisley, der bislang hierzulande kaum aufgefallen ist, macht seinen Job gut – etwa genau so wie Richard Corben («Den»), wenn er einen verschissenen Tag hat: Sein Stil ist nämlich krass unbeständig, beinahe von Panel zu Panel verschieden, auch was die Qualität anbelangt. Doch dies kommt der psychedelischen Grundstimmung dieser Negativutopie nur zu Gute. Der Plot ist so rasch erzählt wie wirr: Jason befindet sich auf der Flucht, gehetzt von einer Art zerfledderten Terminatoren. Der Junge, der sich im Innern so gar nicht als Dreikäsehoch fühlt und der dafür sterben würde, um an eine Fluppe zu gelangen, wird überwältigt. Als er aus dem Koma erwacht und ihn ein mehr schlecht als recht schauspielerndes Paar, das sich als seine Erzeuger ausgibt, zum Leben «ohne Hass, Gewalt, Gift, Drogen, Fleisch und Nikotin» umerziehen will, hat der Alptraum gerade erst begonnen. Die krude Odyssee wird mit einem recht abrupt und irgendwie recht zufällig gesetzten Schluss beendet, der zahlreiche Fragen offen und einem doch etwas unbefriedigt zurücklässt. Fazit: Für den Miller-Fan essenziell, für alle anderen reicht der Besuch bei einer Leihbücherei. (scd)

Batman: Mitternacht in Gotham 1

Ein Gespenst geht um in Gotham – ein Gespenst namens Midnight

Mit «frightening», «freaky» und «thrilling» locken die Titelbilder der englischen Originalausgabe von «Mitternacht in Gotham» (Panini, zirka 25 Franken). Versprechen, die auf den ersten und zweiten Blick gehalten werden, bekommen ab Mitte des ersten Bandes leider eine weitere Bedeutung.

 

Eine viel versprechende Story (Steve Niles, zuletzt auf Deutsch: «Bigfoot», des Weiteren «Freaks of the Heartland» und «28 Days Later: Die Zeit danach») mit neuen Gegnern (Midnight, Axe-man) verliert sich zunehmend im Schatten von Kelley Jones’ Zeichnungen. Jones' Batman orientiert sich an seinen früheren Arbeiten «Batman, Dark Joker – The Wild» (1993) und der genialen Triologie «Batman Vampire» (1991-1999). Auch in «Mitternacht in Gotham» rückt Jones mit seinem markanten Stil die Figur ins Kreatürliche und verleiht ihr einen furchterregenden Charakter, der mit dem Inhalt korrespondiert. Kennzeichnend sind Batmans ironisch überzeichnete überlange Ohren und der lange zerfledderte Mantel, der ein Eigenleben zu haben scheint. Jones’ surreale Einflüsse zeigen sich auch in Batmans Gestalt, die während der Geschichte ohne erkennbares Muster wächst und schrumpft. Grosszügige, eintönige, dunkle Flächen teilen sich die oftmals gesprengten Panels mit schrillen Farben, was der düsteren Atmosphäre einen psychopatischen Touch verleiht. Leider kann diese Stimmung nur bis zu einem überlangen Kampf von Batman – in einem futuristischen Roboter – gegen Clayface gehalten werden. Durch das überflüssige Erscheinen dieses Antipoden, dessen Auftritt nicht ins unheimliche Setting passt, wird der Geschichte viel Tempo und Atmosphäre genommen. Trotz Showdown mit dem Joker und Midnight an Halloween gelingt es Steve Niles nicht mehr, die zu Beginn erzeugte Spannung wieder aufzubauen.

 

Nicht nur weil die deutsche Übersetzung «Mitternacht in Gotham» gegenüber der mehrdeutigen Referenz des englischsprachigen Originals «Gotham After Midnight» eine entscheidende Verschiebung erfahren hat, hadert man zum Schluss, ob man den zweiten und abschliessenden Band wirklich, der auf Anfang August angekündigt ist, lesen will. Die Befürchtung ist gross, dass es einem – trotz der gelungenen Art von Kelley Jones – nur aufgrund der Durchschnittlichkeit des Werkes schaudern wird. (sam)

Space Dog

Rückkehr vom Planet der Hunde

Knietscheroter Hund auf Farm, knietscheroter Hund als Laika-Nachfolger im All, wo ihm grüne Alienhunde den aufrechten Gang und die Menschensprache beibringen, knietscheroter Hund wieder zurück auf Erden, wo die Promenadenmischung die Vor- und Nachteile dieser neuen Gabe kennen lernt.

 

So etwa lässt sich der Plot von «Space Dog» (Edition Moderne, zirka 15 Franken) auf eine kurze Formel bringen. Gewiss: Hendrik Dorgathens Pop-Art-Stil ist so unverkennbar und brilliant wie jeher (siehe «Slow»). Dummerweise hat man das dünne Bändchen, bei dem das Formale über den Inhalt triumphiert, viel zu schnell ausgelesen, um das Artwork auch wirklich adäquat würdigen zu können. Darum Tipp: Einzelne Panels grossformatig farbkopieren, einrahmen, an Wand hängen – und damit dem Besuch imponieren. (scd)

 

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Jack of Fables 1: Flucht nach vorn

Ein Schlitzohr kämpft gegen das Vergessen

Ein Koffer voller Geld und seine Freiheit. Das ist alles, was Jack von seiner schillernden Hollywood-Karriere geblieben ist. Nun will sich die Märchenfigur, die in unseren Breitengraden aus «Hans und die Bohnenranke» (engl. «Jack and the Beanstalk») bekannt ist, weiterhin in der Welt der Sterblichen durchschlagen. Doch weit bringt er es nicht, da die anderen Märchenfiguren, bei denen er in Ungnade gefallen ist, seine Entführung in die Seniorensiedlung «Golden Boughs» veranlassen. Ein Ort, an dem Märchenfiguren festgehalten werden, bis sie in Vergessenheit geraten und somit ihre Existenz verlieren.

 

Mit dem «Fables»-Spinoff «Jack of Fables: Flucht nach vorn» (Panini, zirka 28 Franken) erhält das gewitzte Schlitzohr Jack seine eigene Serie. Von der Handlung her weist der Auftakt der Reihe im Vergleich zum Hauptcomic ein deutlich schnelleres Tempo auf. Die abgedrehte Geschichte um die Entführung und den folgenden Fluchtversuch ist äusserst kurzweilig und zeigt keine Längen. Dazu passen die (manchmal fast zu) bunten Bilder des Zeichners Tony Akins. Der Band ist bezüglich gestalterischer Innovation zwar nicht preisverdächtig, überzeugt jedoch durch eine abwechslungsreiche Panelgestaltung mit diversen Bildgrössen und -formen. Auffallend ist die Figurengestaltung, welche vom anatomisch Korrekten abdriftet und sich dem Cartoonhaften annähert. Die Serie der Autoren Bill Willingham, der bereits für die Hauptserie «Fables» verantwortlich war, und Matthew Sturges lebt ganz deutlich von ihrem Hauptcharakter. Wenn dieser einige Male als Erzähler fungiert und seine selbstsicheren Ankündigungen und Verklärungen im krassen Gegensatz zu der Realität stehen, kann man meist ein Lachen nicht unterdrücken. Positiv fällt zudem auf, dass die Macher darauf geachtet haben den Band auch ohne «Fables»-Vorwissen problemlos verständlich zu halten. Insgesamt ist «Jack of Fables» vor allem all jenen zu empfehlen, die bereits gefallen an der Hauptserie gefunden, aber eine gehörige Portion Witz und Ironie vermisst haben. (ras)

 

Das Heiligtum von Gondwana

Intrigen, Safari und der Ursprung der Menschheit

Nachdem er sein letztes Abenteuer nicht ganz unbeschadet überstanden hat, gönnt sich der englische Physiker und Hobby-Archäologe Professor Mortimer eine Genesungspause. Doch diese wird jäh unterbrochen. Ihm werden spektakuläre Funde der Überresten einer versunkenen Zivilisation gemeldet. Das Besondere der Stätten: Sie liegen Tausende von Kilometern voneinander entfernt in Afrika und der Antarktis – und die Altersanalyse zeigt als Ergebnis 350 Millionen Jahre an. Mortimer verliert keine Zeit und macht sich auf nach Ostafrika um den angeblichen Ursprung der Menschheit zu erkunden – ohne auf seine obskuren Verfolger zu achten.

 

Mit «Das Heiligtum von Gondwana» (Carlsen, zirka 22 Franken) erscheint nun das 18. Abenteuer des Duos Captain Blake und Professor Mortimer, welches vom verstorbenen, belgischen Comic-Schöpfer E.P. Jacobs in den 1940er Jahren erfunden wurde und nun von Autor Yves Sente und Zeichner André Juillard weitergeführt wird. Die auf den ersten Blick abstruse Handlung um eine Millionen von Jahren alte Kultur wird nachvollziehbar erklärt und bleibt bis zum Ende, das mit einer ungeahnten Wendung zu überraschen vermag, spannend. Erfrischend charmant wirkt auch das in den 1950er-Jahren angesiedelte Szenario, bei denen im Gegensatz zu vielen aktuellen Publikationen mal keine Antihelden mit Charaktermängeln, sondern gestandene, britische Gentlemen die Hauptrolle spielen. Grafisch bleibt der vorliegende Band im Rahmen der frankofonen Comic-Tradition, was sich im klaren Strich, der erdigen Farbgebung und den eher kleinformatigen Panels äussert. Diese sind auch das grösste Manko des Comics. Aufgrund der zahlreichen Panels wirken die Seiten oft überfrachtet und das starre, abwechslungsarme Schema führt beim Lesen manchmal zu Ermüdungserscheinungen. Trotz dieser Abstriche bleibt «Das Heiligtum von Gondwana» eine äusserst lesenswerte Abenteuer-Geschichte, die auf intelligente Art unterhält und aufgrund der moderaten Gewaltdarstellungen auch jüngeren Leser zumutbar ist. (ras)

 

Der dunkle Turm 1 & 2

Cowboy vs. Zauberer

Im Reich Gilead besteht Roland Deschain in einem blutigen Kampf seine Reifeprüfung und darf sich von nun an zum Kreis der Revolvermänner zählen. Bei seinem ersten Auftrag in der Stadt Hambry verliebt er sich in die schöne Susan. Doch der mächtige Zauberer Marten Broadcloak lässt die Liebschaft in einer Tragödie enden. Aus dem jungen Roland wird ein von Rachegelüsten Besessener, der nur ein Ziel hat: Seinen Widersacher zur Strecke bringen.

 

Mit «Der Revolvermann» und «Der lange Heimweg» (Splitter, je zirka 66 Franken) erscheinen die beiden ersten Ausgaben der auf fünf Bände ausgelegten Comic-Adaption der postapokalyptische Roman-Reihe «Der dunkle Turm». Um die gezeichnete Version des Opus Magnum von Bestseller-Autor Stephen King zu verwirklichen, hat sich gleich ein ganzes Team zusammengerauft. Neben den Meister selbst fungieren Peter David («The Incredible Hulk») und Robin Furth als Szenaristen sowie Jae Lee und Richard Isanove (die beide bisher vor allem diverse Marvel-Superhelden-Reihen mitzeichneten) sorgen für das Visuelle. Und dieses überzeugt auf den ersten Blick ganz deutlich. Analog zur edlen Erscheinung des Hardcover-Bands im Album-Format wirken die Zeichnungen mit ihrer detailtreue und den kräftigen Farben, die parallel zur tristen Grundstimmung dunkel gehalten sind, wie eine Ansammlung kleiner Gemälde. Die Panelstruktur mit ihrem Wechsel von kleineren und grösseren Formaten sorgt für ausreichend Abwechslung, doch trotzdem strahlt die ganze Gestaltung eine seltsame Statik aus. So kommt man in Versuchung, den Band eher als illustrierte Literatur denn als Comic einzustufen. Gar negativ fallen die Soundwords ein. Sie werden zwar selten eingesetzt, aber wenn es so weit kommt, wirken diese in ihrem Wild-West-Stil wie deplazierte Saloon-Schilder. Inhaltlich zeigt sich die Geschichte um den Revolvermann und seine düsteren Abenteuer äusserst spannend. Nur eignet sich der Comic eher nicht als Nachttisch-Lektüre. Der fremde Schauplatz ist bis ins letzte Detail durchdacht und wartet mit eigener Religion, einer genau festgelegten Geografie und einem eigenwilligen Slang auf. Zudem werden zu Beginn relativ viele Figuren eingeführt. All dies setzt beim Leser voraus, dass er sich auf die Geschichte einlässt und sich hineinarbeitet. Als Bonus ist den Bänden ein umfangreicher Anhang beigefügt, der detaillierte Informationen, Karten und Illustrationen über die geheimnisvolle Mittwelt bietet. Vor allem für viele King-Fans wird der Comic wohl Pflichtlektüre sein, aber auch Leser mit Geduld und einem Faible für Endzeitgeschichten dürfen bei «Der dunkle Turm» wohl auf ihre Kosten kommen. Übrigens: Die Reihe erscheint in einer abgespeckten Version (kleineres Format mit Softover) auch bei Heyne. (ras)

 

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Stockalper – König des Simplons

Opulenter Bilderreigen – aber schwerverdaulich

Man schreibt das Jahr 1678 des Herrn: Der unermesslich reiche Briger Baron Kaspar Stockalper befindet sich trotz Warnungen auf dem Weg nach Sitten. Als er mit seiner Kutsche beim Schloss Leuk vorbeifährt, erinnert er sich an das Schicksal, dass seinem Onkel widerfahren ist, der geköpft, gevierteilt und verbrannt wurde. Prompt wird auch Stocker Opfer einer auf seinen Reichtum zielenden Intrige und muss nach Domodossola fliehen. Fünf Jahre später kehrt der Erbauer des nach wie vor in der Briger Altstadt stehenden Stockalperpalasts nach einem Wirtschaftskrieg erfolgreich in die Schweiz zurück, wo er schliesslich 81-jährig aus dem Leben scheidet.

 

Dem in Spiez aufgewachsenen Zürcher Sambal Oelek (alias Andreas Müller) ist mit «Stockalper – Der König des Simplons» (Edition Moderne, zirka 30 Franken) ein hochwertiges Historiengemälde nach wahren Begebenheiten gelungen, dem man die fundierte Recherche ansieht. Vor allem die Form beeindruckt, die auf ein minutiöses Konzept schliessen lässt: Zum einen sind hier die so genannten Bestiarien zu nennen, sich jeweils über zwei Seiten erstreckende Tierformen, die Oelek erstaunlich organisch (und so in einem Comic meines Wissens noch nie dagewesen) mit den Panelbildern verwebt. So können etwa Flügel, Schnabel und Krallen eines Raben gleichzeitig als Schatten, Balustrade, Bettgestänge und Eisenkettengehänge gesehen werden. Der Rücken eines Fuchses ist gleichzeitig Herbstwald, der Flügel einer Eule ein Bergrücken, das Federkleid eines Pfaus eine reich bedeckte Tischplatte. Ebenfalls als Bildelemente inszeniert worden sind Chronogramme – Zeichen, die sowohl als römische Ziffern wie auch als Buchstaben gelesen werden können und Leitsprüche Stockalpers ergeben.

 

So faszinierend diese Detailgestaltung, so interessant die Lebens- und Leidensgeschichte des «Königs des Simplons» und so löblich das Projekt im Grunde auch ist: Man muss schon ausserordentlich an der (Walliser) Geschichte interessiert sein, um auszulesen, was auch (wie schon bei Oeleks früherer Arbeit «Dufour») viel mit dem durch die holzschnittartig-starren Art der gemalten Bilder die rechteckig-uniformiert gehaltenen Sprechblasen erreichten totalen – und wie es scheint, auch bewussten – Verzicht auf jedwelche Dynamik zu tun hat. (scd)

Auto-Bio

Viel Umweltschutz, wenig Lacher

Ach! Öko, Umweltschutz – und das durch einen ganzen, 48-seitigen Band? Hat denn inzwischen nicht jeder von uns etwas dazugelernt, trägt inzwischen nicht jeder seinen kleinen Beitrag dazu bei? Papier, Glas, Karton, Batterien separieren, keine Sprays verwenden, keinen Unrat auf die Strassen werfen, schon gar nicht ins Wasser, das Auto gezielt benutzen, den Motor abstellen, bei den Kleidern kritisch und wählerisch sein und, und, und....

 

Doch halt: Cyril Pedrosa (positiv aufgefallen durch «Drei Schatten») ist ein absoluter Hardcore-Öko. In seinem offenbar durchaus autobiografischen Werk «Auto-Bio» (Reprodukt, zirka 18 Franken) erklärt er uns, wie wir richtig zu kompostieren haben, dass wir Insektizide meiden und auf den Wasserverbrauch achten und dass wir unsere Kinder in der Schule mit dem Fahrrad abholen sollen. Pedrosa, der sich selber mit Kaschmirjacke, Wollschal und undefinierbarer, roter Kappe (ist es ein nordafrikanisches Fes?) als missmutiger Hauptdarsteller gezeichnet hat, erzählt seine Geschichten keineswegs mit dem erhobenen Zeigfinger. Das Problem ist nur: Die verschiedenen Storys, zumeist eine Seite lang, sind zwar nicht einseitig, aber zu oft ohne den zündenden Witz. Der Autor beziehungsweise der Leser muss sich bei all den feinen, liebevollen Zeichnungen doch sehr um die Gags und Lacher abmühen. Schnell weiterblättern und die nächste Geschichte lesen will man eigentlich nur aus zwei Gründen: 1. Welches Öko-Thema schneidet Pedrosa denn jetzt an? 2. Wird dieses nun vielleicht einem den herzhaften Lacher entlocken?

 

Nun, dieser Planet, unsere Umwelt braucht mehr Schutz, wenn die Kinder unserer Kinder einmal ein vernünftiges, menschenwürdiges Leben führen wollen. Aber ein paar Lacher und guten Humor braucht es auch, damit wir durchs sonst so ernste Leben kommen. (Tu-Ri)

 

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Splitter

Ausserdem neu in den Comic-Regalen

Einen interessanten Überblick über das Schaffen des Comic-Nachwuchses bietet das «Orang Comic Magazine 8» (Reprodukt, zirka 27 Franken). Unter dem Motto «Neverending Stories» zeigt sich wieder einmal mehr, wie viele formale und stilistische Spielformen im Medium möglich sind. Mit «Transport» ist auch ein Beitrag der 25-jährigen Luzernerin Nadine Gerber vertreten, der durch seinen eigenwilligen Kribbelstil auffällt. Den kreativsten Output liefert wohl die Hamburgerin Marijpol mit «Der Wurstzirkel» ab. Auch Shintaro Kagos Rubrikwürfel-Comic zeugt von Einfallsreichtum.

 

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New York als Pufferzone in einem amerikanischen Bürgerkrieg. Der fünfte Band von «DMZ» (Panini, zirka 29 Franken) von Brian Wood und Riccardo Burchielli richtet seine Aufmerksam erneut nicht auf die Makrogeschichte, sondern fokussiert in sechs Episoden auf Schicksale der in der «Demilitarisierten Zone» lebenden Zivilbevölkerung. Es geht nicht an, «Der unsichtbare Krieg» als Intermezzo-Band zu bezeichnen, aber auch wenn die einzelnen Short Storys sehr aufschlussreich sind, wünscht man sich insgeheim, dass im nächsten Band der Hauptstrang um den Reporter Matty Roth endlich weitergetrieben wird.

 

Besprechung von «DMZ» 4 »

Ähnliches gilt für den sechsten Band von «Ex Machina» (Panini, zirka 26 Franken) von Brian K. Vaughan und Tony Harris/Jim Clark. In «Blackout» verliert New Yorks Bürgermeister Mitchell Hundred (temporär) seine Gabe – oder handelt es sich eher um einen Fluch? – mit Maschinen kommunizieren zu können. So spannend die Story auch ist: Langsam aber sicher dürstet es einem, endlich am Stück und komplett zu erfahren, welche Rolle genau Hundred am 11. September 2001 gespielt hat.

 

Rezension von «Ex Machina» 4 & 5 »

Mit «The Goon 3: Meine mörderische Kindheit» (zirka 33 Franken) von Eric Powell und «Sleeper 3: Die Gretchenfrage» (zirka 35 Franken; vorletzter Band) von Ed Brubaker und Sean Philipps legt Cross Cult weitere Bände grundsolider Serien vor. Auch wenn beide Reihen auf innovativen Konzepten fussen («The Goon»: zynischer Horror, «Sleeper»: Verquickung von Agententhriller und Superheldenaction), ist der Sättigungsgrad langsam erreicht.

 

Kritik zu «The Goon» 2 »

Besprechung von «Sleeper» 2 »

Und das Grossunternehmen von Carlsen, das «Yoko Tsuno»-Oeuvre von Roger Leloup in thematisch gegliederten Sammelbänden neu herauszugeben, ist mit dem vierten Band «Vinea in Gefahr» (zirka 50 Franken), das die Bände 8, 10 und 13 enthält, in der Mitte angelangt. Und für Sammler dürfte von Interesse sein, dass der neunte Band der «Prinz Eisenherz»-Gesamtausgabe (Jahrgang 1953/54) (Bocola, zirka 35 Franken) erschienen ist. (scd)

 

Rezension des 2. «Yoko Tsuno»-Sammelbandes »

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Rina (Dienstag, 21 Juli 2009 10:11)

    wusst ich gar nicht, dass das schon übersetzt wurde. *in den Comic-Laden renn*