Milo Manara Werkausgabe

Die Sammlung des Frauentyps

Die bisherige Arbeit von Comic-Zeichner Manara wird mit einer Werkausgabe gewürdigt. Diese startet mit seiner Kollaboration mit Kult-Regisseur Federico Fellini.

Attraktive Frauen und ungewöhnliche Plots, die nur darauf abzielen diese halbnackt werden zu lassen. Dies ist eine der häufigsten Assoziationen, die auch vielen Nicht-Comic-Affinen beim Namen Milo Manara in den Sinn kommen. Dass dieser von Kritikern oft geäusserte Vorwurf zu kurz greift, zeigt eine neue Publikationsreihe, die im Panini Verlag erscheint. Nämlich die Werkausgabe des 1945 im Südtirol geborenen Ausnahme-Comic-Künstlers und Eisner-Award-Preisträgers Milo Manara.

Zwischen Traum und Wirklichkeit

Vor allem bei den ersten beiden Ausgaben hält sich die berüchtigte Erotik in Massen. Den Anfang macht ein Band mit zwei Zusammenarbeiten von Manara mit dem inzwischen verstorbenen italienischen Regisseur Federico Fellini. Dabei handelt es sich um zwei nie verwirklichten Filmprojekte der Regie-Legende: «Die Reise nach Tulum» und «Die Reise des G. Mastorna, genannt Fernet». Erstere ist eine Art «Making of»-Version eines Films über mexikanische Schamanen und die Glaubenswelt der alten Azteken, die 1998 erstmals veröffentlicht wurde.

 

In schwarz-weissen Bildern, welche sich an den für Comics aus Italien typischen «Fumetti neri»-Stil orientieren, zeigt Manara eine Welt, in der Traum und Realität nicht voneinander zu unterscheiden sind. Bei der unglaublichen Reise von der Cinecittà nahe Roms nach Mittelamerika zeigt sich insbesondere in den Landschaftsbildern, warum Manara als Meister seines Fachs gilt. Die grossformatigen Bilder des Dschungels und der Unterwasserwelt sind an Detailreichtum kaum zu überbieten. In der zweiten Geschichte des Bands, bei der sich die Handlung um einen Flugzeugabsturz und die Reise ins Jenseits dreht, geht die Faszination hingegen von der stimmungsvollen Kolorierung in Sepia-Tönen aus.

 

Die Stärke des ersten Bands liegt ganz klar im Grafischen. Zwar strahlen die Handlungen der Geschichten auch einen gewissen Zauber aus, doch sie wirken mit ihren assoziativen Sprüngen oft etwas unzugänglich.

Die Indianer kommen

Anders sieht dies im zweiten Teil der Reihe aus – ebenfalls eine Kooperation. Diesmal mit dem italienischen Comic-Autor Hugo Pratt, der mit seiner Serie «Corto Maltese» Bekanntheit erlangte. «Ein indianischer Sommer», ursprünglich aus dem Jahre 1983, erzählt vom Konflikt zwischen Siedlern und Ureinwohnern im Amerika des 17. Jahrhunderts. Der gewaltsame Tod zweier junger Stammeskrieger entwickelt sich nach und nach zu einem blutigen Kleinkrieg zwischen den beiden Gruppen. Im Gegensatz zum Vorgänger ist der Band in Farbe gehalten und besticht durch sein unverbrauchtes Szenario. Vor allem Lesern, die sich eine durchgehende Handlung wünschen, werden hier eher auf ihre Kosten kommen.

 

Löblich zu erwähnen ist bei der neu veröffentlichten Werkausgabe das integrierte Begleitmaterial. Die umfangreichen Hintergrundtexte und Skizzensammlungen schaffen sowohl für Kenner und Neulinge einen Mehrwert. Zudem wirkt die hochwertige Aufmachung der grossformatigen Hardcover-Bände sehr ansprechend.

Unsichtbarer Wissenschaftler
Speziell an der Reihe wirkt nur die Wahl der beiden ersten veröffentlichten Comics, da diese eher untypisch sind für Manara. Doch dies ändert sich mit den weiteren Erscheinungen, wie «Der Duft des Unsichtbaren» und «Candid Camera». Hier findet man sich wieder in den frivolen Erzählungen, wie die Geschichte des Wissenschaftlers, der eine unsichtbar machende Salbe entwickelt um einer berühmten Ballerina immer nahe sein zu können. Festzustellen ist: Sobald Manara als Autor und Zeichner in Personalunion agiert, rangiert die Handlung eher an zweiter Stelle. Womit der am Anfang des Texts geäusserte Vorwurf doch nicht ganz aus der Luft gegriffen zu sein scheint.

 

Sasa Rasic, im September 2010

(Erstpublikation in der «Neue Luzerner Zeitung» am 11. September 2010)

 

Die Werkausgabe von Manara (bisher vier Bände) erscheint fortlaufend bei Panini Comics. Kosten je Band zirka 30 bis 40 Franken.

 

Leseprobe zu «Ein indianischer Sommer» »

Übersicht über alle Bände der Reihe »

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